Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Spätfrühling lag die schwedische Armee in Quartieren bei Schweinfurt und erholte sich. Die Truppen waren erschöpft nach den langen Märschen des Winters, die Kavallerie brauchte neue Pferde, und man musste die Fußvolkregimenter auffüllen (während des letzten halben Jahres hatten die Schweden eine Anzahl von Festungen eingenommen, und wie üblich war es die Infanterie, deren Leute als Besatzung abgestellt wurden). Außerdem musste das Heer seine Ausrüstung wieder ergänzen.
Der alte Plan, dass der Krieg sich selbst ernähren und die Armeen von dem besetzten Land leben sollten, funktionierte zwar noch leidlich, aber es war nahezu unmöglich geworden, in dem fast völlig zerstörten und verheerten Deutschland die Truppen zu versorgen. Zu glauben, dass man es wie in den frühen dreißiger Jahren mit Kontributionen, Brandschatzen und Plündern schaffen könne, war sinnlos. In der Regel brauchte man jetzt Bargeld, um die Soldaten am Leben und das Heer zusammenzuhalten. Immer jedoch war man gezwungen – auch in Zeiten, in denen man mehr als reichlich Lebensmittel zusammenbekam –, die Ausrüstung der Armee zu kaufen, das heißt alles von den Helmen der Soldaten, Kürassen, Kollern und Wehrgehängen über Zaumzeug, Geschirr, Winden, Spaten, Hacken und mobile Feldmühlen bis hin zu Kanonen, Petarden, Pulver, Lunten, Kugeln und Granaten. Nur in Ausnahmefällen konnte man diese Dinge vor Ort an sich bringen. Auch wenn man in der Schlacht einige Kanonen erobern konnte – Pistolen, Musketen und blanke Waffen scheinen in der Regel von den einzelnen Kriegern persönlich in Besitz genommen worden zu sein –, konnten diese vollkommen unbrauchbar sein, wenn man nicht über die richtige Munition verfügte. Die Kaliber waren noch nicht einheitlich, und eine Kanonenkugel musste natürlich genau in den Lauf passen, um brauchbar zu sein. In den meisten Fällen musste derartige Ausrüstung von Orten bezogen werden, die weit entfernt vom Kriegsschauplatz lagen, vor allem aus Schweden und den dortigen Werkstätten und Manufakturen. Die schwedische Armee hatte also, obwohl sie weitgehend von dem Land lebte, in dem sie sich aufhielt, eine ungewöhnlich lange und verwundbare Verbindungslinie zur deutschen Ostseeküste, die geschützt werden musste, wenn man den Nachschub von Material sicherstellen wollte.
Wir dürfen uns diese Verbindungslinie nicht als einen ständigen Strom von Menschen und Material vorstellen. Das Einzige, was regelmäßig darauf hin-und herging, war die Post, während Verstärkungen nur ganz sporadisch eintrafen. Neue Munition und neue Geschütze wurden einmal im Jahr aus Schweden geschickt, in der Regel während des Sommerhalbjahrs. Kanonen und Eisenkugeln, die in einer der schwedischen Kanonengießereien oder im Geschützgießerhof auf Brunkeberg hergestellt wurden, kamen in die Rüstkammer des Schlosses oder in den neuerdings eingerichteten Artilleriegården in Stockholm für den Weitertransport nach einem der deutschen Häfen. Von Lagern und Magazinen in diesen Häfen wurde das Material dann zu den Festungen oder Verbänden oder zu anderen großen Vorratslagern im Landesinneren weitergeleitet. Diese Magazine lagen häufig an einem der großen Flüsse, denn fast alle Versorgung und alle Schwertransporte erfolgten auf dem Wasserweg – aus diesem Grund spielte sich so viel von den Feldzügen in und um die Flusstäler ab; man kämpfte ganz einfach um die Kontrolle über diese unerhört wichtigen Verbindungswege. Es waren keine kleinen Mengen, die in diesen Magazinen lagerten; so enthielt das wichtige Magazin in Leipzig im Dezember 1646 unter anderem 18 Tonnen Pulver, 19 Tonnen Lunte, 1069 12 -pfündige und 2702 24 -pfündige Kugeln, alles bereit für den Transport dorthin, wo es am dringendsten gebraucht wurde. Bei den schweren Waffen sah das System so aus, dass ein Befehlshaber, wenn er der Ansicht war, gewisse Geschütze nicht mehr zu benötigen, sie bei einem dieser Magazine ablieferte. Von dort konnten sie dann jederzeit angefordert werden. (Besonders die richtig schweren Geschütze wie 24 - und 36 -Pfünder waren so groß, schwer und sperrig, dass man sie nur auf den Weg brachte, wenn sie in absehbarer Zukunft gebraucht wurden. Ein kluger Befehlshaber nahm außerdem nie mehr Geschütze mit als nötig, weil gerade die Transporte der Artillerie so viele Pferde erforderten.) In Verbindung mit mehreren dieser Magazine betrieben die Schweden auch eine regelrechte Fabrikation von Dingen, die man andernfalls von
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