Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
aus Karl Gustav, seiner gesamten Generalität und «allen Frauenzimmern» bestand, wurde die Lunte gezündet. Bei der dröhnenden Explosion wurden Steine wie Wasser aus einer Fontäne in die Luft gesprüht. Die der Stadt zugewandten Mauern stürzten ein. Die Decken brachen krachend zusammen. Ein Schwall zusammengepressten Gerümpels ergoss sich in den Wallgraben und füllte ihn bis zum Rand. Der Turm war mit einem Mal eine leere, rauchende Hülle, geborsten und zur Stadt hin geöffnet. Die Sprengung war außerordentlich gut gelungen. Karl Gustav war beeindruckt von dieser Demonstration pyrotechnischen Könnens, und da er «einige junge Männer bei der Armee brauchte, die in Fortifikationen und anderen Szientien geübt waren», wollte er den jungen Fortifikateur auf der Stelle anwerben.
Es war natürlich eine außerordentliche Chance, von der Fortifikation in der pommerschen Versorgungsbasis zur Hauptarmee zu kommen, besonders in einem Jahr wie 1648 , in dem so viel im Gange war. Doch hier griff Mardefelt ein. Er hatte bereits vorher seinen Schwager Theophili zum Kondukteur ernannt, und die Vermutung liegt nahe, dass dabei ein gehöriges Maß an Vetternwirtschaft im Spiel war. Nun erklärte er offenbar ohne große Umschweife, dass er Erik für den Augenblick nicht entbehren könne, dass dieser im Übrigen noch nicht ausgelernt habe, worauf Mardefelt vorsichtshalber hinzufügte, der fragliche junge Kondukteur könne ja später nachfolgen. Stattdessen wolle er gern einen anderen empfehlen, nämlich seinen Schwager Theophili. So geschah es. Hier erhielt Erik eine handfeste Demonstration des Faktums, dass es nicht immer half, einen guten Kopf, Kenntnisse und Energie zu haben, um nach oben zu kommen, sondern dass es auch der Unterstützung eines guten Patrons bedurfte. Es ist unmöglich, seinem Tagebuch zu entnehmen, wie enttäuscht Erik verständlicherweise war, als ihm diese Gelegenheit entging und seinem Freund Theophili in den Schoß fiel.
Das Sonderbare ist nur, dass Mardefelts Neigung zur Vetternwirtschaft bei dieser Gelegenheit Erik wahrscheinlich das Leben rettete.
IX. Der Westfälische Friede ( 1647 – 1650 )
1 . Zwei Meutereien und ein Kreis, der sich schließt
Schweigen die Waffen? – Wrangel bekriegt die Bauern in Bregenz – Der Vertrag von Ulm – Ein Dominoeffekt – Wie die Armee ausgerüstet wurde – Die Schweden gehen nach Böhmen – ‹Ein elfjähriger Junge, zerfetzt› – Der Kaiser flieht im Nachtgewand – Die französische Diplomatie scheitert – Die Meuterei der Bernhardiner – De Werths Meuterei – Die Schweden retirieren – Der Einfall in Hessen – Noch ein Hungerkrieg
Im März 1647 wurde ein Waffenstillstand zwischen Bayern auf der einen und Frankreich und Schweden auf der anderen Seite vereinbart. Kurfürst Maximilian war erschüttert über die ungeheure Zerstörung und das unfassbare Leiden, das die Invasionstruppen ins Land gebracht hatten, und er wusste, dass sein Land vollständig ruiniert würde, wenn er nicht ein schnelles Ende der Kämpfe herbeiführen konnte. Auch die Regierenden in Paris waren, weil sie Bayern auf ihre Seite ziehen wollten, bereit, die Operationen abzubrechen und einen Separatfrieden zustande zu bringen. Mazarin rechnete mit einer Art Dominoeffekt: Wenn Bayern kapitulierte, wäre der Kaiser bald gezwungen, das Gleiche zu tun, und wenn dieser die Waffen streckte, würden auch die Spanier – gegen die Franzosen und Holländer immer noch an mehreren verschiedenen Fronten kämpften – genötigt sein zu folgen. Einer nach dem anderen würde umfallen. Und dann werde am Schluss allgemeiner Frieden ausbrechen.
Der Kaiser war natürlich gegen die Pläne der Bayern, sein sinkendes Schiff zu verlassen. Aber was meinte der vierte Beteiligte, die Schweden? Die Instruktionen aus Stockholm besagten, man solle Übereinkünfte am besten vermeiden, doch die schwedischen Gesandten auf dem Friedenskongress, Oxenstierna und vor allem Adler Salvius, waren geneigt, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Sie schoben aber die Entscheidung auf den schwedischen Armeechef Wrangel ab. Das war ein Fehler. Wrangel weigerte sich kategorisch, die Waffen ruhen zu lassen. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, sein Heer sich durch das reiche Böhmen hindurchplündern zu lassen, und als die Franzosen sich im Spätherbst weigerten, die Offensive nach Osten fortzusetzen, war er erzürnt und enttäuscht. Seine Einstellung mag schwer zu verstehen sein, denn die höheren Offiziere unter seinem
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