Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
weit her beziehen musste, wie zum Beispiel Kanonen, Kugeln, Minen oder Pulver. An diesen Orten konnte man auch unbrauchbare Geschütze, die im Kampf erobert worden waren, zu brauchbareren Kalibern umgießen. Eine solche Kombination von Vorratslager und Manufaktur hatten die Schweden 1647 gerade in Schweinfurt eingerichtet, dem Mittelpunkt der schwedischen Winterquartiere in diesem Winter. Die Wahl Schweinfurts war kein Zufall. Wrangel und seine Truppen brauchten einen vorgeschobenen Stützpunkt in Südwestdeutschland, und die Stadt lag am Main, war ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt und konnte außerdem leicht von dem in Erfurt liegenden Magazin versorgt werden. Es gab eine Gießerei für Kupferkanonen in Schweinfurt – alle ins Feld mitgeführten Geschütze waren aus Kupfer. Zwar war der Gießofen beschädigt, aber ein gewisser Johannes Scheffer, dem das Magazin in Erfurt unterstand, wurde herbeigeholt, ließ ihn reparieren, und bald begann man hier mit dem Gießen von Kanonen. (Die Kanonenherstellung in Leipzig war indessen nicht problemlos. Der ständige Geldmangel der schwedischen Krone führte dazu, dass man versäumte, den Schmieden ihre Löhne auszubezahlen, und nach einiger Zeit drohten sie damit, die Arbeit niederzulegen.)
Als die Sommerwärme nach Deutschland zurückkehrte, brach die schwedische Armee ihre langen, ordentlichen Reihen von Zelten ab und begab sich wieder einmal in endlosen, stampfenden Kolonnen auf die schmalen Wege hinaus. Die Truppen zogen genau nach Osten. Wrangels Plan war die Reprise eines alten Lieblingsstücks: Da das fruchtbare Bayern nun aus dem Krieg heraus war, wollte man stattdessen in Böhmen und von dort aus in die Erblande des Kaisers einfallen. Am 15 . Juni begannen die Schweden, die Stadt Eger zu belagern, die unmittelbar jenseits der Grenze lag und als «der Schlüssel des Königreichs Böhmen» bezeichnet wurde. Wrangel hoffte allem Anschein nach, die Stadt so in Angst und Schrecken zu versetzen, dass sie sich unterwarf, und ließ deshalb an diesem Tag seine Artillerie ein regelrechtes Terrorbombardement ausführen: An diesem ersten Tag wurden 834 Schüsse auf die Häuser und Mauern der Stadt abgegeben, doch ohne spürbare Wirkung. Eins der wenigen Opfer war «ein elfjähriger Junge in der Judengasse bei Herrn Junkers Haus, [der] so zerfetzt wurde, daß man kaum noch erkennen konnte, daß es ein Mensch war». Einen großen Teil des Sommers verwandten die Kämpfenden darauf, um diese Stadt herum zu manövrieren, Hungerkrieg zu führen, Approchen zu graben, Schanzen zu bauen, einander aus der Entfernung zu bombardieren, zu patrouillieren, sich gegenseitig in Hinterhalten aufzulauern und kleine, ziemlich unergiebige Scharmützel auf den blühenden grünen Wiesen und Feldern auszutragen.
Bei einer dieser Gelegenheiten wäre Kaiser Ferdinand beinah in schwedische Hände gefallen. Um zu zeigen, für wie ernst er die Lage hielt, und wahrscheinlich auch, weil sein treuer Kettenhund Gallas, der alte Heerverderber, im April gestorben war, folgte er seinen Truppen zum ersten Mal ins Feld. Früh am Morgen des 20 . Juli watete eine starke schwedische Reiterabteilung von zehn Schwadronen still und leise über den glitzernden Fluss Eger und warf sich über das Lager der kaiserlichen Armee. Die Überraschung war total. Die Wachen wurden kopfüber in das Gewimmel von Zelten und abgestellten Wagen geworfen, und die schwedischen Reiter folgten ihnen. Man kann das Schauspiel vor sich sehen: Im fahlen Licht des Sommermorgens erhebt sich Geschrei, Lärm und Getöse, als halbbekleidete, schlaftrunkene Männer in zerknitterten Nachthemden mit gezogenen Degen aus den Zelten taumeln, gegeneinander prallen, mit den Armen fuchteln, rufen, fragen. Dann jagen kleine Scharen von geduckten Männern auf Pferden mit hartem Dröhnen von Hufen durch die langen Gassen zwischen den Zeltreihen; Schüsse knallen, Waffen schneiden schnelle Kreise durch die Luft, und jemand fällt langsam auf die Knie in den staubtrockenen Boden.
In dem folgenden wunderbaren Getümmel gelang es drei Reitern, bis zu dem Platz vorzudringen, wo der Kaiser schlief. Schnell stachen sie die Wachtposten vor dem Zelt nieder. Gerade als die letzte Wache zu Boden gesunken war und die drei zum Kaiser hineinstürmen wollten, kam ein Diener hinzu und tötete einen der Reiter. Mehrere Personen eilten herbei, und der Kaiser konnte auf der Rückseite seiner Behausung entkommen, nur mit seinem Nachtgewand bekleidet. In aller Hast sattelte die
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