Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Wie gewöhnlich waren Versorgungsgründe maßgebend: Das Gebiet war noch nicht abgegrast und konnte den Truppen gute Winterquartiere bieten. Die Bewohner dieser Gegend flohen, aber einige Bauern setzte sich zur Wehr, indem sie sich in einer Schanze eingruben. Am 22 . Dezember rückten die schwedischen Truppen gegen sie vor, und die Bauern flohen in der Nacht brav nach Süden, in Richtung Bregenz am östlichen Ufer des Bodensees. Wrangel gab Befehl, ihnen durch die bergige Landschaft zu folgen. Er witterte Beute. Die Truppen standen an der Grenze zur blühenden Schweiz, einem Land im deutschen Reich, das von allen Kriegshandlungen verschont geblieben war. (Ein zeitgenössischer Reisender schreibt, dass die Schweiz «mir im Vergleich mit anderen deutschen Ländern ebenso fremd erschien, als sei ich in Brasilien oder China. Ich sah dort Menschen friedlich Handel treiben. Die Ställe standen voll mit Vieh, und die Bauernhöfe waren voller Hühner, Gänse und Enten. Dort verspürte man keinerlei Angst vor dem Feind, keine Furcht vor Plünderung und keine Sorge, Besitz, Gesundheit und Leben zu verlieren».) Am Weihnachtsmorgen rückten schwedisches Fußvolk und Reiterei zu dem Pass vor, der im Norden der Stadt lag. Es ging nur zäh voran, denn die Bauern hatten Befestigungen gegraben und diese mit Kanonen bestückt, und das steile und felsige Terrain begünstigte sie. Schließlich gelang es jedoch den erfahrenen Söldnern, den Widerstand der verzweifelten Bauern zu brechen. Von den 6000 Mann, die sich gegen die Schweden zu wehren versuchten, wurde ein großer Teil getötet; viele wurden von den Angreifern niedergemacht, die es ablehnten, Gefangene zu machen, andere ertranken bei dem Versuch, sich auf Booten über den Bodensee in Sicherheit zu bringen. Nach einem fürchterlichen Chaos, bei dem Angreifer und Fliehende nebeneinander hergelaufen waren, wurden die Stadt und das Schloss eingenommen. Dorthin hatten der Adel und die Abteien aus ganz Oberschwaben ihre gesamten Reichtümer gebracht, und die Beute war unvorstellbar: Wrangels Männer erbeuteten «Kostbarkeiten, Kanonen, Munition, Schiffe, Lebensmittel und Schätze in einem Wert von rund vier Millionen Gulden». (Mit 13 der eroberten Schiffe inszenierte Wrangel bald etwas, das man am besten als eine Mischung aus strategischem Seekrieg und reiner Seeräuberei bezeichnen kann. Die einmastigen Schiffe, die eine Besatzung von ein paar hundert Finnen bekamen, blockierten kaiserliche Stützpunkte, zwangen die auf dem See verkehrenden Schiffe zur Zahlung sogenannter «Lizenzen», griffen die Insel Mainau an und nahmen sie ein.) Wrangel selbst stellte es so dar, als habe er die wichtigen Pässe nach Italien erobert, was nicht stimmte. Stattdessen war er gefährlich nahe daran, den Neutralitätsvertrag mit der Schweiz, den Gustav Adolf vor vielen Jahren geschlossen hatte, zu brechen, während gleichzeitig seine Armee durch diesen Marsch nach Süden gefährlich aufgesplittert wurde. Militärisch gesehen war dieser Ausflug an den Bodensee wertlos, und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass er von Anfang an durch Wrangels Gier nach Beute für sein Heer und sich selbst motiviert war.
Obwohl Wrangel Schwierigkeiten gemacht und Obstruktion betrieben hatte, war er schließlich doch gezwungen, murrend einem Waffenstillstand zuzustimmen, doch erst nachdem die Franzosen ihn stark unter Druck gesetzt und «in heftigem und schulmeisterndem Ton» für die Bayern Partei ergriffen hatten und nachdem die Versorgungslage für seine Truppen immer unhaltbarer geworden war. Am 4 . März 1647 unterzeichneten also Repräsentanten der beteiligten Parteien in Ulm den Vertrag. (Wie peinlich isoliert Wrangel mit seiner Weigerung, jede Form von Waffenstillstand zu akzeptieren, war, zeigte sich, als sowohl Torstensson als auch Königin Christina später das Abkommen begrüßten.) Der von Mazarin erhoffte Dominoeffekt trat sofort ein, denn der Kurfürst von Köln vereinbarte bei der gleichen Gelegenheit einen Waffenstillstand mit Schweden und Frankreich, und zwei Monate später legte auch Mainz die Waffen nieder und erklärte sich neutral. Im Spätfrühling 1647 stand der Kaiser immer einsamer und isolierter da, und immer mehr Beobachter glaubten auch, dass der Krieg beendet sei. Und so hätte es tatsächlich auch kommen können, wenn nicht im Sommer 1647 ein unerwartetes Ereignis eingetreten wäre, das die Kämpfe wieder aufflammen ließ und den Kaiserlichen neue Hoffnung einflößte.
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