Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Krone begonnen, Kron-und Steuerland für den Adel abzuzweigen, teils weil man bares Geld und nicht Hering und Butter brauchte, um seine Armeen zu bezahlen, teils weil es für eine ständig zahlungsunfähige Staatsmacht eine praktische Methode war, die Leute für ihren Einsatz im Krieg zu entschädigen. Mit dem Friedensschluss war außerdem der Zeitpunkt gekommen, wo alle alten Schulden zu begleichen waren und Krieger und Gläubiger bezahlt werden mussten. Ein großer Teil der Kosten des langen Krieges war also mitgeschleppt worden und musste nun im Nachhinein aufgebracht werden. Ein Teil dieser Kosten wurde durch das Abdankungsgeld gedeckt, das man den Deutschen abgepresst hatte. Aber einen großen Teil dieser Rekompensationen musste die schwedische Krone selbst aufbringen, nun da alte Kreditgeber und demobilisierte Offiziere sowohl schwedischer als auch ausländischer Herkunft von den Armeen in Deutschland über die Grenzen strömten und auf prompte Entschädigung pochten.
Diese Entschädigung erhielten sie in Form von Land und Titeln, die nicht nur als Bezahlung dienten, sondern daneben noch den Effekt hatten, verschiedene ausländische Militärs und Kreditgeber an den schwedischen Staat zu binden. Diese Verteilung der Güter der Krone kam jetzt nach dem Friedensschluss richtig in Gang. Die eroberten baltischen Gebiete hatte Gustav Adolf mit schwedischen Aristokraten und hohen Militärs vollgestopft, und nun wurde eine ähnliche Landverteilung in den eroberten Provinzen in Deutschland und in Halland vorgenommen. Das hinzugewonnene Land reichte jedoch nicht aus, und auch in Schweden selbst und in Finnland wurden Güter in großer Menge verteilt. Zwischen etwa 1610 und der Mitte der fünfziger Jahre verdoppelte sich der Grundbesitz des Adels in den schwedischsprachigen Teilen des Reiches; in Finnland versechsfachte er sich. Der größte Teil dieser Donationen ging an die Ratsherren selbst, die Aristokratie und die bereits Vermögenden. Die meistbegünstigten 22 Adelsfamilien konnten Land im Gesamtwert von einem Fünftel der gesamten Staatseinkünfte entgegennehmen.
Bei den Herrschenden machte sich in den Jahren nach dem glücklichen Abschluss des deutschen Abenteuers Euphorie bemerkbar, weil sie – zu ihrer unverhohlenen Freude – durch den Krieg Macht, Reichtümer und den Status einer Großmacht gewonnen hatten. In diesem wilden Erfolgsrausch wurde ein immer schnelleres Karussell von Landveräußerungen in Gang gesetzt. Die Donationen erfolgten in einem derartig rasenden Tempo, dass man mit der Eintragung in die Grundbücher nicht mitkam, und es kam vor, dass das gleiche Stück Land zweimal vergeben wurde. (Dass ein Beamter der Schatzkammer neben seiner regulären Tätigkeit an interessierte Personen falsche Titel verkaufte, machte die Sache auch nicht gerade besser.) Bald befanden sich 63 Prozent allen bewirtschafteten Bodens in Schweden und Finnland in den Händen des Adels. Ein ungeheurer Bauboom setzte ein; neue Schlösser, Herrenhöfe und andere Renommierbauten schossen überall aus dem Boden, nicht selten zu ruinösen Kosten. Und die Aristokratie, die das Bedürfnis verspürte, dem neugewonnenen Status des Reiches gerecht zu werden, gab sich einem Luxus hin, der, wie ein französischer Diplomat bemerkte, im Verhältnis zu den verfügbaren Mitteln größer war als in irgendeinem anderen europäischen Land.
Die kleinen Leute waren natürlich erschüttert über diese gewaltige Vermögensverschiebung. Ihre Empörung rührte nicht allein daher, dass sie mitansehen mussten, wie die Ströme von Blut, die ausgehobene Soldaten über die Jahre auf den Schlachtfeldern eines unnötigen Krieges vergossen hatten, sich mittels einer merkwürdigen Chemie in Gold, Äcker und weiß gekalkte Schlösser in den Händen einer bereits vermögenden Clique vornehmer Aristokraten verwandelten, während überlebende Soldaten sich mit Bettelei durchschlagen mussten. Es bedeutete auch, dass alle anderen dank der Steuerbefreiung für den Adel so viel mehr von den Ausgaben der Krone bezahlen mussten. Die Einnahmen des schwedischen Staates sanken rapide, als die Bauern, die auf dem abgeteilten Boden wohnten, ihre Steuern ihrem neuen Herrn entrichteten und nicht dem staatlichen Vogt. Im Jahr 1644 beliefen sich die staatlichen Einnahmen auf 6 630 000 Taler, nach den ersten Jahren des folgenden Jahrzehnts waren sie auf 3 790 000 Taler geschrumpft. Und als sei es noch nicht genug mit all den Donationen, nahm die Einrichtung von Herrensitzen
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