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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Zweige. Menschen verhungerten, viele machten sich auf und zogen durchs Land. Bettler strömten in Mengen in die Städte, «stets lagen Kinder und arme Leute zuhauf vor den Türen und riefen ‹Helft in Gottes Namen›»; besonders die Hauptstadt wurde von diesen in Lumpen gekleideten Gespenstern überlaufen. Gedichte berichten von dieser Zeit, als
    die Kisten waren geleert,
    die Eimer durchlöchert,
    viel Volk mit Augen rot,
    Wangen bleich vor Not,
    da nichts in der Scheuer,
    sucht im Wald sich Brot
    aus Wurzeln, Knospen, Treber und Rinde,
    die wenig zu Nahrung taugen.
     
    Manche verprassen in Leichtsinn
    der Armen Silber und Gold.
    Schwelgen in Prunk und Müßiggang,
    der Arme liegt am Boden.
    Ein anderes Gedicht aus dieser Zeit warnt vor großen Unruhen:
    Aufruhr und Zorn sind worden so groß
    wie Bäume in Buchenwäldern
    und sind so weit in der Welt verstreut
    wie das Korn vor dem Pflug auf den Feldern
     
    Hier wird ein Blutsturz kommen so groß
    mit Büchsen und kalten Klingen
    ausgießen so manchen unschuld’gen Manns Blut,
    nichts kann noch Schlimmeres bringen.
    In Stockholm wie auch in Södermanland kam es zu Krawallen, Aufruhr und Protesten, die sich gegen die Herrschenden richteten. Draußen auf dem Land kamen die Bauern zusammen und berieten, was zu tun sei.
    Alle Voraussetzungen für den Ausbruch eines großen Brandes waren gegeben.
     
    Ende Juni 1650 begannen die Stände des Reichstags, sich in Stockholm zu versammeln. Nach einigen warmen und gemächlichen Wochen, in denen die Teilnehmer ihre Vollmachten im Schloss vorzeigten und darauf warteten, dass alle Repräsentanten einträfen, bahnte sich dort ein merkwürdiges politisches Dreiecksdrama an.
    Die drei nichtadligen Stände richteten im Juli unter der Führung des Bürgertums einen gemeinsamen Angriff gegen den Adel. Sie agierten gemeinsam, hielten gemeinsame Zusammenkünfte ab, verlangten – gegen gängige Praxis –, dass der Reichstag einfache Mehrheitsbeschlüsse fassen solle, und begannen, eigene Vorschläge einzubringen. All dies war etwas Neues und Umwälzendes; ähnliche Forderungen nach erweiterter Macht des Parlaments hatten die große englische Revolution von 1641 ausgelöst. Auch die von den drei nichtadligen Ständen erhobenen politischen Forderungen waren einigermaßen sensationell. Sie stellten sich hinter die Pläne, den Pfalzgrafen Karl Gustav zum Thronfolger zu machen – die Aristokratie ließ noch keine Anzeichen erkennen, dies akzeptieren zu wollen –, sie forderten ein Ende aller adligen Übergriffe, meinten, dass der Adel nicht länger den Vortritt bei der Besetzung bestimmter Posten haben solle, und forderten außerdem, dass der Boden, den die Krone an den Adel veräußert hatte, diesem wieder abgenommen oder, wie der Terminus lautete, «reduziert» werden solle. Das Programm war gelinde gesagt umstürzlerisch, denn es lief darauf hinaus, die verschiedenen Errungenschaften des Adels rückgängig zu machen und seine ökonomische Macht stark zu beschneiden. Es handelte sich indessen nicht nur um einen Angriff auf eine stark überprivilegierte Aristokratie, sondern auch um eine ausdrückliche Infragestellung der kriegerischen Politik, die in den vergangenen Jahrzehnten geführt worden war und die das Reich zu einer Großmacht gemacht hatte. So heißt es in der an Königin Christina gerichteten Protestnote, auf die sich die drei nichtadligen Stände später einigten:
    Welche Ehre und Ruhm hat Eure Königl. Majest. von der Unterwerfung fremder Länder, wenn einige wenige sie besitzen sollen, und das Patrimonium [Erbe] und das Eigentum des Reiches im Vaterland sich verringern? Was haben wir denn im Ausland gewonnen, wenn wir zu Hause die Freiheit verloren haben?
    Der Adel, der zweite Teilnehmer in diesem Spiel, war natürlich verärgert und aufgebracht, und bald überkam ihn blanker Schrecken, als er merkte, dass der dritte Beteiligte, die Königin, ihn nicht wie bisher unterstützen würde. Im Gegenteil, sie ermunterte die Nichtadligen noch bei ihren Angriffen, und als beispielsweise ein Bauer aus Östergötland ihr ein Stück grobes Rindenbrot zeigte, ließ sie «Mitleid» erkennen. Nach einiger Zeit, in der Deputationen, Prozessionen, Ausschüsse und Aufwartungen in der sommerlichen Hitze hin-und hergegangen waren, sah es so aus, als könne der Adel dem gemeinsamen Angriff die Spitze nehmen und sogar die Geistlichkeit auf seine Seite ziehen. Der Sturm schien sich zu legen. Bei einer neuen Audienz am 23 . Juli gab die

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