Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
zwischen diesen beiden Wegen ist teilweise ein künstlicher; unsere modernen, streng abgegrenzten Berufsbilder gab es damals nicht, und häufig gelang es den Menschen, mehrere verschiedene Karrieren zu vereinen. Dennoch war die Antithese da. Vom ersten Anfang an war er auf eine zivile Karriere eingestellt, aber 1647 «wurde aus einem Schreiber ein Soldat». Er hatte auch hartnäckig weiter an der Entwicklung seiner künstlerischen Talente gearbeitet, und die Reise nach Italien war ein vielsagender Ausdruck seiner Sehnsucht nach Vervollkommnung und Meisterschaft als Zeichner. Gleichzeitig bot das Schwert eine Karriere, die zwar gefährlich war, die aber auch schnell gehen konnte, eine Karriere, bei der man nicht gezwungen war, andere abzubilden, sondern selbst abgebildet werden konnte und nicht nur Bewunderer, Betrachter und Schatten war, sondern ein Bewunderter, ein Betrachteter werden konnte, der selbst einen Schatten warf. Sein neuer Freund David Klöcker hatte den gleichen Hintergrund, hatte den gleichen Start ins Leben genossen und war nun ganz darauf eingestellt, ein Betrachter zu werden, ein Maler im Geist des neuen Barockstils. Aber was wollte eigentlich Erik, außer Karriere machen? Welchen Weg sollte er gehen? Den der Feder? Oder den des Schwerts? Dass er in Venedig auch nach seiner Genesung zögerte, zeigt wohl, dass er sich noch immer nicht entschlossen hatte, dass er noch immer mit sich rang in dieser entscheidenden Wahl seines Lebens.
Das Jahr 1656 brachte Erik neue Probleme. Seine beiden Adepten, die Brüder Cronstierna, begannen offenbar, des anstrengenden Studienlebens überdrüssig zu werden. Erik schreibt selbst ein wenig kryptisch in seinem Tagebuch, dass «die Cronstierner begannen, ein übles und Ärgernis erregendes Leben zu führen, so daß man dadurch in die größte Gefahr für Leib und Seele geraten konnte».
Was dies im Einzelnen bedeutet, ist schwer zu sagen, doch die Republik war in ganz Europa bekannt für ihr Vergnügungsleben, das ebenso breitgefächert wie wild war. Die venezianische Freizügigkeit hatte dazu geführt, dass die Prostitution hier verbreiteter war als in irgendeiner anderen europäischen Stadt. Sowohl weibliche als auch männliche Prostituierte waren zu haben. Die Stadt war sogar für ihre männlichen Prostituierten bekannt, die sich vor allem bei der Brücke Ponte delle Tente aufhielten. Dort wetteiferten weibliche und männliche Huren um die Kunden; die Frauen gingen mit entblößten Brüsten, um sich von den vielen männlichen Transvestiten zu unterscheiden. Zu dieser Zeit gab es in Venedig rund 20 000 Dirnen, und viele von ihnen betrieben ihr Gewerbe in zunftähnlichen Formen, bei denen der Beruf von der Mutter auf die Tochter vererbt wurde. Sie waren auch gegen gewisse Formen von Übergriffen geschützt: Ein Kunde, der sich ohne zu bezahlen davonstahl, konnte in Arrest genommen werden, und einer Person, die eine Prostituierte beleidigte, drohte eine Buße von 100 Dukaten und ein Monat Gefängnis. Die Prostituierten bezahlten eine besondere Steuer, die nicht weniger als den Unterhalt für zwölf Galeeren Venedigs ausmachte. Trotz des reichlichen Angebots war die Nachfrage nach käuflichem Sex so groß, dass die Stadtoberen sich gezwungen sahen, große Scharen von ausländischen Frauen zu importieren, die in besondere staatliche Bordelle gesetzt wurden, wo sie einen monatlichen Lohn erhielten – natürlich erst, nachdem die Republik ihren Anteil an den Einkünften bekommen hatte. Es bestanden auch große Unterschiede zwischen Huren und Huren. Es gab eine gehobene Schicht von Kurtisanen, die gefeiert, umschwärmt und teuer waren. Ein Engländer, der in diesem Jahrhundert ein erstklassiges venezianisches Hurenhaus besuchte, sagt, es war, als «trete man in das Paradies der Venus ein», wo er eine wunderschöne Frau traf,
geschmückt mit vielen goldenen Ketten und orientalischen Perlen, wie eine zweite Kleopatra, verschiedenen mit Diamanten und anderen kostbaren Steinen besetzten Goldringen, kostbaren Juwelen in den Ohren. Ein Kleid aus Damast … ein roter Unterrock mit einer Kante aus breiter Goldspitze, Strümpfe aus hautfarbener Seide, ihr Atem und ihr ganzer Körper reich duftend parfümiert, alles, um dich zu locken.
Eine solche wohlerzogene venezianische
cortegiana
konnte Laute spielen und auch «eine gute Rhetorikerin sein und sehr elegant konversieren». Ihre Schwester auf der Straße führte in der Regel ein sehr viel härteres Leben. Eine
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