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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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zusammenbinden oder einfach einen Stuhl umdrehen, gegen den die Frau sich stemmen konnte. Eine weitere Variante war, dass die Gebärende auf dem Schoß einer anderen Frau saß, einer sogenannten Schoßfrau. Diese verschiedenen Vorkehrungen wurden in der Regel mit einer Menge von Kissen und Bettdecken komplettiert, die es der Frau erleichterten, die Stellung zu wechseln. In mehrfacher Hinsicht waren die Positionen, die praktiziert wurden, besser als das flache Auf-dem-Rücken-Liegen späterer Zeiten, das die Entbindende passiv machte und sie der Allmacht der Geburtsärzte auslieferte.
    Ja, die Allmacht der Geburtsärzte: Das 17 . Jahrhundert war der Schauplatz eines zähen Kampfs zwischen den Ärzten und den Hebammen. Die Geburtshilfe wandelte sich in dieser Zeit zur Wissenschaft, was dazu führte, dass die Macht über die Entbindungen allmählich von den Hebammen, also Frauen, die traditionell diese Kunst ausübten, überging auf die theoretisch geschulten Experten, die fast immer Männer waren. Dies war einer der ersten Schritte in einer langen Entwicklung, die dazu führte, dass die Frauen, die in Europa lange Zeit auf dem Feld der Heilkunde dominiert hatten, ihre vorherrschende Rolle verloren und zu schweigenden Gehilfinnen an der Seite der Ärzte degradiert wurden. (Übrigens wurden sie nicht nur in der Medizin von den Männern verdrängt. Das gleiche Schicksal traf im 17 . Jahrhundert viele Frauen in verschiedenen handwerklichen und kaufmännischen Tätigkeiten, die sich, nachdem sie ein gewisses Terrain gewonnen hatten, später faktisch aus ihren Berufen hinausreglementiert sahen.)
    Es gab in Europa eine Art informeller medizinischer Hierarchie, an deren Spitze die akademisch geschulten Ärzte standen; unter ihnen rangierten die Feldscher und Barbiere, danach folgten die Hebammen und Wehfrauen; im untersten Teil der Pyramide herrschte ein schwer überschaubares und nicht wenig zwielichtiges Durcheinander von Bruchschneidern (Chirurgen) und weisen Frauen, Hexern, Gesundbetern und reinen Quacksalbern, die vom Aufbringen von Pflastern bis zu Abtreibungen und zur Praktizierung weißer – das heißt: guter – Magie fast alles machten. Die Frauen befanden sich am untersten Ende der Pyramide, die Männer in der Hauptsache in ihrer Spitze. Das heißt indessen nicht, dass alle Frauen den gleichen Bedingungen unterworfen waren. Eine Hebamme verdiente mehr, hatte bessere Kunden und ein bedeutend besseres Renommee als die durchschnittliche weise Frau, die häufig mit einer selbstkomponierten Mischung aus dunklen Beschwörungen und hausgemachten Wunderkuren zu Werke ging. Viele Hebammen waren tüchtige und schwer arbeitende Fachfrauen mit einem großen Kundenkreis. Die weisen Frauen waren zumeist unbekümmerte Dilettantinnen, die Verwandten, Freunden und Nachbarn halfen. Zuweilen war jedoch die Grenze zwischen den beiden Gruppen schwer auszumachen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass es im 17 . Jahrhundert keine streng abgegrenzten Berufsbilder gab. Betätigung auf vielen Gebieten war die Regel für die Ober-wie für die Unterschicht. Denn ebenso wie ein Adliger sowohl Krieger als auch Beamter sein konnte und ein Barbier nicht nur Haare schnitt, sondern auch Zähne zog, konnte eine Hebamme neben Geburtshilfe auch allgemeine Heilkunst und weiße Magie ausüben, aber auch Ehen vermitteln – dazu gehörte zuweilen auch der Auftrag, zu untersuchen, welche Chancen die zukünftigen Ehepartner hatten, miteinander Kinder zu zeugen. (Danach bei der Entbindung zu helfen, wurde dann mehr als Nebensache betrachtet: Die Hebamme kam nur den Verpflichtungen nach, die sie mit der Vermittlung der Ehe übernommen hatte.)
    Die Ärzte und ihre Zünfte betrachteten die anerkannt tüchtigen Hebammen mit scheelen und ärgerlichen Blicken und taten, was sie konnten, um sie aus einem Betätigungsfeld zu verdrängen, das sie als ihr eigenes ansahen. Darin hatten sie ausgezeichnete Unterstützung seitens des Staats, der die Hebammen einer immer strengeren und zudringlicheren Überwachung unterzog. Der Kampf zwischen den Ärzten und den Hebammen war jedoch nicht nur ein Kampf zwischen zwei verschiedenen Zünften, die genau wie alle anderen Zünfte eifersüchtig und mit allen mehr oder weniger sauberen Tricks ihre eigenen Interessen wahrten. Es war auch ein Kampf zwischen zwei unterschiedlichen Wissenssystemen. Das Wissen der Hebammen war in praktischer Arbeit gewonnen und beruhte auf einer langen Tradition von Volks-und Naturmedizin. Das Wissen

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