Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Abenteuer sollte sich zu einer Geschichte des Grauens verdunkeln. Denn Gustav Adolf fasste nun einen Entschluss, der ungeheuerliche Konsequenzen für die Deutschen wie für die Schweden haben sollte: sowohl für das deutsche Reich als auch für Schweden.
Offenbar war Gustav Adolf der Appetit beim Essen gekommen. Sowohl die politischen als auch die militärischen Ziele änderten sich langsam. Statt sich zu besinnen und das Gewonnene zu genießen, entschloss sich der König weiterzumachen, um den Krieg auszuweiten. Während des auf Breitenfeld folgenden Halbjahres zog er eifrig an verschiedenen diplomatischen Fäden, die sich zu Mustern und Verknüpfungen zusammenfügten, die ständig zu wachsen schienen. Dass Schweden für sein Ungemach im Krieg Entschädigung, Satisfaktion, haben sollte, war ja eine Selbstverständlichkeit; und die deutsche Ostseeküste lag ja so günstig. Aber warum nicht auch ein
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errichten, einen Bund aller protestantischen Fürsten im deutschen Reich, mit einer starken, stehenden Armee und natürlich unter schwedischer Führung?
Auch die militärischen Ambitionen wuchsen mit den Erfolgen. Nach der Schlacht marschierte das schwedische Heer zuerst auf Erfurt zu, wo man in Ruhe Winterquartier zu beziehen gedachte. Aber die Vorstellung des reichen und unberührten Maintals mit allen seinen Klöstern, schönen Ritterburgen und wohlhabenden Städten wurde zur allzu großen Versuchung. So brach das Heer auf, wobei zunächst an nicht mehr als einen kleinen Ausflug gedacht war, um die Kriegskasse ein wenig aufzufüllen, aber man ließ sich bald verlocken, noch ein Stück weiterzugehen, und dann noch ein Stück und noch ein Stück; denn die ganze Zeit winkten neue, schlecht befestigte Städte, mit Bürgern, die mit wallenden Spitzenkragen, Embonpoint und gutem Einkommen sozusagen bereitstanden und nur darauf warteten, die Zwangssteuer zu entrichten, die Kontribution genannt wurde. So rollte der schwedische Kriegszug davon nach Südwesten, getragen von dem guten Rausch, den schnelle Erfolge geben können, sowie einer nicht zu unterschätzenden Begeisterung unter den deutschen Protestanten. Für die schwedischen Generale gestaltete sich der Marsch zu einem glücklichen Traum von sperrangelweit geöffneten Stadttoren, ängstlichen Schlossherren, die ohne einen Schuss kapitulierten, Willkommensbanderolen an den Hauswänden, respektvollen Bürgerfräulein, die von ihren Fenstern aus die heranstampfenden Kolonnen staubiger Männer betrachteten, von der einen oder anderen polterigen, aber nicht allzu aufwendigen Erstürmung, kleinen und schnell aufgeriebenen kaiserlichen Abteilungen, deren gelichtete Reihen am Horizont verschwanden, sowie natürlich Beute, massenhaft Beute. Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn konnte man das Prinzip verwirklichen, das Gustav Adolf bereits 1628 aufgestellt hatte:
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– lass den Krieg sich selbst ernähren. Die Last auf den Bürgern des schwedischen Reichs konnte leichter werden, während sie gleichzeitig für die, die in Deutschland lebten, schwerer und schwerer wurde.
Auch für die abgerissenen Soldaten des schwedischen Heeres war es eine selten gute Kampagne. Zum ersten Mal seit der Landung im Sommer des voraufgegangenen Jahres wurden sie ordentlich bezahlt. Einer der Schweden in Deutschland schrieb, dass die Soldaten sich zuvor mit Wasser, verschimmeltem Brot und Biersuppe hatten begnügen müssen, jetzt aber machten sie «Kaltschale im Sturmhut mit Wein und Weizensemmeln». Der Herbstfeldzug des Jahres 1631 hatte unbezweifelbar etwas Traumhaftes an sich: Die Menschen litten und starben wie gewöhnlich, aber der schlimmste Fanatismus und die Kriegsverwilderung hatten sich noch nicht eingestellt. Mönche und Nonnen auf der Flucht vor den Schweden zogen auf den Landstraßen dahin, und viele von Schrecken gepackte Katholiken schlossen sich ihnen an. Aber Gustav Adolf zwang niemanden dazu, sich zu bekehren, und seine Soldaten waren vergleichsweise diszipliniert, sodass der Sensenschnitt des Heeres nach Südwesten nie zu einer Schneise der Verwüstung ausartete. Am Ende des Jahres 1631 sah man die schwedische Armee satt und zufrieden bei Mainz am Rhein.
1632 war das gesegnete Jahr, in dem die schwedischen Erfolge ihre wunderbare Vollendung erreichen sollten. Schon beherrschten die Schweden und ihre rasch anschwellende Schar von Verbündeten das halbe deutsche Reich. Es war Gustav Adolfs Plan, weiter vorzurücken, nach Osten und in die
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