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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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im Wind; es waren schwedische Soldaten – man möchte gern glauben, dass es die jüngeren waren –, die mit kleinen Glocken spielten, die sie toten und gefangenen katholischen Feldgeistlichen abgenommen hatten.
    Die Verluste des schwedischen Heeres waren mäßig: rund 2100 Mann, die Schwerverwundeten eingerechnet. Der Verlust an Pferden war wie üblich enorm: Von den 9000 , die mit in der Schlacht waren, waren rund 4000 getötet worden. Wenn wir uns ein Schlachtfeld nach Beendigung der Kämpfe vorstellen, müssen wir uns ein Bild mit dichten Scharen von Gäulen vor Augen führen, die auf drei Beinen umherhinken, schreiende Wracks, die in ihre eigenen Eingeweide verwickelt über die Felder verstreut liegen, und Kadaver in Massen. Die Verluste der Gegenseite waren geradezu katastrophal: Sieben von zehn kaiserlichen Soldaten wurden entweder getötet oder während der Schlacht und im Verlauf der Verfolgungen an den Tagen danach gefangen genommen. Viele Tausend wurden von sächsischen Bauern getötet, die in großen Banden unterwegs waren, Verwundete suchten und Fliehende jagten und sie ohne viel Federlesens totschlugen. Fast vom allerersten Augenblick des Konflikts an standen sich die Landbevölkerung und ihre Plagegeister, die Soldaten, in erbitterter Feindschaft gegenüber. Die Bauern nahmen jede sich bietende Gelegenheit wahr, es ihnen heimzuzahlen, und sie zögerten oft nicht, in einer Art Krieg im Krieg, Soldaten, die ihnen in die Hände fielen, zu foltern, zu verstümmeln und zu töten.
    Und rundum im protestantischen Deutschland wurde ein Lied über den großen Sieg der Schweden über die Kaiserlichen verbreitet. Darin ruft Gustav Adolf jubelnd seinem fliehenden Widersacher Tilly hinterher:
    Ich bin der Löw von Mitternacht,
    Mit dir will ich frisch fechten,
    Ich streite ja durch Gottes Krafft,
    Gott helfe dem Gerechten.
    Auf einmal hatte der Krieg sich gewendet.

2 . Fünf Schüsse im November
    Corpus evangelicorum? – Ein tragischer Wendepunkt – Hinunter ins Maintal – Die Armee wird für den Feldzug 1632 gerüstet – Einmarsch in Bayern – Das Treffen am Lech – Wallenstein kehrt zurück – Die Kämpfe bei Nürnberg – Der Kampf um die Alte Veste – Nach Norden und Sachsen – Die Schlacht bei Lützen – ‹Wir konnten einander auf vier Schritt Abstand kaum sehen› – Gustav Adolf fällt
    Während die Reste dessen, was einmal Europas siegreichste Armee gewesen war, blutig und vom Mut verlassen in versprengten Scharen nach Süden abzogen, konnten Gustav Adolf und seine engsten Mitstreiter über eine total veränderte politische Landschaft blicken. Die schwedischen Kriegsziele waren erreicht: Alles, was als eine kaiserliche Bedrohung Schwedens und seiner Besitzungen gedeutet werden konnte, war aus dem Weg geräumt, und die deutsche Ostseeküste war fest in schwedischer Hand. Gustav Adolf scheint zunächst nicht weiter als bis hierhin gedacht zu haben und war allem Anschein nach auf einen Sieg dieses Ausmaßes nicht richtig vorbereitet. Die schwedische Armee verfügte nicht einmal über richtige Karten von Süd-und Westdeutschland, das ganz plötzlich offen vor ihr lag.
    Dies war vielleicht der entscheidende Augenblick des Kriegs.
    Hier hätte der Konflikt ein Ende finden können. Hier hätte ein Kompromissfriede geschlossen werden können zwischen einem angeschlagenen Kaiser und einem zufriedenen König, der alles erreicht hatte, das erreichen zu wollen er
erklärt
hatte. Der Krieg, der Fenriswolf, der Leviathan, wäre gefesselt und in seine finstere Höhle zurückgetrieben worden. Die schwedischen Soldaten hätten wieder nach Hause fahren können, um hinter Pflug und Egge alt und grau zu werden und ihren Kindern und Enkeln von dem wundersamen Abenteuer zu erzählen, an dem sie teilgenommen hatten. Und zukünftige Historiker hätten dickleibige Abhandlungen über den Frieden schreiben und verschnörkelte, aber erregte Diskussionen führen können über die große Gelegenheit, die Gustav Adolf versäumte, denn was hätte nicht geschehen können, wenn er nur, ja, wenn er nur … Hier hätte alles enden können.
    Aber nein. Stattdessen lief die Entwicklung in eine direkt entgegengesetzte Richtung. Und der Krug wurde erneut zu Wasser getragen und sollte bald brechen. Und die Soldaten sollten nie wieder nach Hause kommen, sondern mit gebrochenen Augen, den Haaren im Schlamm und den Eingeweiden im Freien enden. Und die Kinder und Enkel sollten nie geboren werden, und die Erzählung von dem wundersamen

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