Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
gezeichneten Faustkämpfern, die schwer und keuchend aneinanderhängen, bevor sie den noch unentschiedenen Kampf wieder aufnehmen.
Gustav Adolfs sternschnuppenhaftes Verschwinden im Alter von nur 37 Jahren war folgenschwer. Er persönlich hatte das deutsche Abenteuer inspiriert und geleitet. Sein weitreichender Wille und seine Energie, seine hohe Autorität und sein beinah mythischer Status hatten all die misstrauischen und widerspenstigen protestantischen Fürsten im Krieg gegen den Kaiser zusammengehalten. Es gab keinen, der an seine Stelle treten konnte, weder in Schweden noch in Deutschland. In beiden Reichen wurde das Machterbe Gustav Adolfs auf mehrere verschiedene Hände verteilt. In Deutschland kamen all die Gegensätze, die unter der kraftvollen und eigenwilligen Führung des Königs niedergehalten worden waren, wieder an die Oberfläche. Seine Tochter Christina war erst sechs Jahre alt, und zu Hause in Schweden ging daher die Macht an eine vom Hochadel gebildete Vormundschaftsregierung über. Ihr Führer wurde Axel Oxenstierna.
Dieser Posten hätte kaum an eine geeignetere Person gehen können. Der Diplomat und Reichskanzler Oxenstierna war zu diesem Zeitpunkt 49 Jahre alt, ein stattlicher Mann mit tiefliegenden, dunkelblauen Augen und grauem, kurzem Bart; humorlos, gelehrt, willensstark, arrogant, intelligent, ausgestattet mit einem phantastischen Gedächtnis, unerschöpflicher Energie und einem verblüffenden Organisationsvermögen; er war lange Gustav Adolfs engster Vertrauter gewesen, der Einzige, der ihn kritisieren und der mit seinem kühlen Intellekt und seinem klaren Urteilsvermögen die wilden Pläne des Königs praktisch ins Werk setzen konnte; ein Aristokrat bis in die Fingerspitzen, hoffärtig, schroff und machtlüstern, aber doch Staatsmann genug, um zu wissen, wann es Zeit war, die eigenen Klasseninteressen hintanzustellen. Er erscheint als Repräsentant einer sehr kleinen, streng exklusiven Kaste von leitenden Ministern, die in Europa immer mehr zu bestimmen bekommen hatten. In Spanien wurde die Politik in der Praxis von Gaspard de Guzmán, Graf von Olivares, gelenkt – einem rundlichen Arbeitsfanatiker, der sich 22 Jahre hindurch tagein, tagaus zwischen fünf Uhr morgens und Mitternacht mit den Angelegenheiten der spanischen Krone beschäftigte, ständig lesend, ständig Briefe diktierend, die Taschen vollgestopft mit Staatspapieren, ja, sogar im Hut steckten sie ihm –, während sein mindestens ebenso mächtiges Pendant in Frankreich Armand Jean du Plessis, Kardinal de Richelieu, hieß – ein dürrer, finsterer Mann, der einen gebrechlichen, aber herrischen Eindruck erweckte, ebenso tüchtig als Diplomat, Intrigant und Administrator wie als gelehrter Verfasser theologischer Schriften. Diese drei Männer lebten von ihrer Nähe zu ihren Monarchen, von ihrer unfassbaren Arbeitskraft und von ihrer Kontrolle über weitgespannte Netze von Klienten. Alle drei nutzten auch ihre großen Machtmittel aus, um die Interessen ihrer Länder zu fördern und einen starken, streng zentralistischen Staatsapparat aufzubauen. Die drei waren einander an Fähigkeiten und Begabungen ebenbürtig, auch wenn Mazarin, der Nachfolger Richelieus, später sagte: «Wenn alle Minister Europas sich auf demselben Schiff befänden, müßte das Steuer dem schwedischen Reichskanzler überlassen werden.»
Axel Oxenstierna bedurfte in dieser Lage wahrhaftig seiner ganzen Kraft. Viele Personen auf beiden Seiten der Frontlinie spielten nämlich mit dem Gedanken, Frieden zu schließen, denn jetzt, da das Kräfteverhältnis zwischen beiden Seiten so ausgeglichen war, drohte ganz sicher ein quälender Abnutzungskrieg. Wohl gab es Fanatiker – wie den Kaiser, der noch immer ein Gefangener seines eigenen theologisch verzerrten Weltbilds war –, die um jeden Preis weitermachen wollten, aber es waren wenige. Die Kriegsmüdigkeit, unter den einfachen Leuten schon lange verbreitet, hatte angefangen, auch unter deutschen Fürsten und Generalen um sich zu greifen, die eingesehen hatten, dass Deutschland im Begriff stand, von fremden und einheimischen Armeen zugrunde gerichtet zu werden. Fast das ganze Jahr über wurden auch geheime Verhandlungen geführt, Vermittlungsversuche gestartet, Fühler ausgestreckt und regelrechte Verschwörungen angezettelt, die sämtlich in der einen oder anderen Weise und mit unterschiedlichem Grad von Ehrlichkeit um die Chance kreisten, ein Ende des Krieges zustande zu bringen.
Der Frieden würde
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