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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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natürlich ein Segen für Land und Leute in Deutschland sein, aber eine Enttäuschung für die ausländischen Mächte, die in verschiedener Hinsicht ihre Interessen vom Krieg begünstigt sahen. Besonders für die schwedische Krone konnte ein Frieden zu einer echten Katastrophe führen. All die großen Opfer, die man gebracht hatte, wären vergebens gewesen, und man säße mit ungeheuren Kriegsschulden als einzigem Dank da. Allein das Angebot einer Entschädigung für den Einsatz der Krone konnte Oxenstierna und die anderen Regierenden in Schweden dazu bringen, einem Frieden zuzustimmen. Und mit den Jahren wurde es immer deutlicher, dass der hehre Kreuzzug für den Protestantismus und die deutschen Freiheiten eine absonderliche selbsttätige Maschinerie geschaffen hatte: Schwedische Heere, die umhermarschierten und dafür kämpften, dass sie dafür entschädigt wurden, dass sie umhermarschierten und kämpften.
    Im Vorfrühling 1633 trafen sich unter der straffen Leitung Axel Oxenstiernas Repräsentanten der vier süddeutschen Kreise in Heilbronn. (Deutschland war seit 1500 in mehrere sogenannte Kreise eingeteilt, die alle Staaten, Stände und Städte in einem bestimmten Teil des Reichs zusammenfassten.) Nachdem man einen großen Teil der Zeit damit vertan hatte, über Fragen des Rangs und der Etikette zu nörgeln und mit den Armen zu fuchteln – einen Teil des ewigen Streits, wer vor, hinter oder neben wem sitzen solle, schaffte Oxenstierna aus der Welt, indem er dafür sorgte, dass alle Stühle und Bänke ganz einfach aus dem Saal entfernt wurden, sodass die Delegierten im Stehen verhandeln mussten –, gelang es dem schwedischen Kanzler schließlich, die versammelten Fürsten und Delegierten von Städten und Ritterschaft dazu zu bewegen, sich mit der schwedischen Krone zusammenzuschließen mit dem Ziel, den Krieg fortzusetzen. Der Heilbronner Bund, wie er genannt wurde, hatte eine schöne und gediegene politische Fassade, seine finanzielle Grundlage indessen war durch und durch marode. Es gelang Oxenstierna nicht, mehr als 200 000 Reichstaler im Monat zusammenzukratzen, um die gemeinsame Armee zu bezahlen, während die tatsächlichen Kosten sich auf zwischen 800 000 und 900 000 Reichstaler beliefen. Die Kalkulation wurde dadurch nicht besser, dass mehrere Verbände nicht nur den gegenwärtigen Sold benötigten, sondern noch ausstehenden Sold zu beanspruchen hatten – die Schulden waren in manchen Fällen bis zu sechs Jahre alt. In den unmittelbar voraufgegangenen Jahren hatte man diese vor sich herschieben können. Da befanden sich die schwedischen Verbände in der Offensive, neue Territorien wurden unter ihre Kontrolle gebracht, Territorien, die die Armeen mit einem ständig erneuerten Strom von Kontributionen, Brandschatzgeldern und purer Beute versehen konnten. Das Heer war wie ein Hai, der sich vorwärtsbewegen muss, um atmen zu können, und der schnell zu ersticken droht, wenn er nicht weiterschwimmen kann. Axel Oxenstierna, der in seiner Eigenschaft als Direktor des Heilbronner Bundes auch die militärische Strategie zu entwerfen hatte, hegte andere Pläne als der verstorbene König. Oxenstierna war wie gesagt ein geschickter Diplomat und Beamter, aber ein militärischer Amateur, der vor gewagten Unternehmungen im großen Stil – beispielsweise Triumphzügen in Richtung Wien – zurückschreckte. Stattdessen wollte er sich damit begnügen, das bereits Gewonnene zu verteidigen. Der Hai sollte nun stillstehen und mit dem zurechtkommen, was er bereits im Körper hatte. Aber wie sollte das funktionieren, wenn die veranschlagten Mittel schon von Anfang an so knapp bemessen waren? Die Antwort auf diese Frage kam unmittelbar.
    Ende April 1633 brach bei der Armee an der Donau eine Meuterei aus. Ein schreckliches Nullsummenspiel begann, an den Tag zu kommen: Das Wettrüsten zwischen den beiden Seiten hatte zwei Heere hervorgebracht, die so groß waren, dass sie das Volk bis an die Grenze des Erträglichen belasteten, und es war deutlich, dass nur eine Seite überleben konnte, und zwar auf Kosten der anderen. Manchmal gelang es tatsächlich, die Soldaten unter strikter Kontrolle zu halten, was leicht zur Folge hatte, dass sie aufgrund des Mangels an Geld und Proviant wie die Fliegen wegstarben – an manchen Orten liefen sie halbnackt umher und lebten in flachen Erdhöhlen, die unter die Stadtmauern gegraben waren. Wenn dies nicht gelang und wenn Geld und Unterhalt ausblieben, stahlen die Soldaten jeglichen Verboten

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