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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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zum Trotz alles, was sie brauchten, von den schon ohnedies hart geprüften Menschen am Ort. Morde und Übergriffe hatten sich während des letzten halben Jahres auch rasch gehäuft. Die Regimentschefs der Soldaten waren in vielen Fällen private Kriegsunternehmer, die ihre Verbände auf rein kommerzieller Basis selbst aufstellten. (Die Vergabe von Werbepatenten und das Aufstellen neuer Verbände konnte zuweilen in einen Spekulationsrausch münden, der in der europäischen Geschichte vor den wilden Spekulationsgeschäften mit Eisenbahnaktien im 19 . Jahrhundert, den brodelnden Aktienmärkten der 1920 er Jahre und den Finanzschwindeleien der 1980 er Jahre wenige Parallelen hat.) Häufig waren sie gezwungen, ihren aufsässigen Soldaten Geld vorzuschießen, um zu verhindern, dass diese auseinanderliefen und verschwanden. Und diese in Geldnöten befindlichen höheren Offiziere waren es, die nun meuterten.
    Die Offiziere grummelten drohend, dass sie keinen Schritt mehr tun würden, bis der ausstehende Sold bezahlt sei und sie klaren Bescheid bekämen bezüglich der großzügigen Belohnungen, die Gustav Adolf ihnen versprochen habe. Nein, stattdessen würden sie in den besetzten Gebieten bleiben und diese ganz einfach als Pfand behalten. Den Herren in Heilbronn mit Axel Oxenstierna an der Spitze begannen natürlich die Nerven zu flattern angesichts eines ganzen Heeres, das plötzlich die Hände sinken ließ. Ihre Furcht wurde nicht geringer dadurch, dass die Meuterei gewissen Anzeichen zufolge die Unterstützung des Armeechefs Herzog Bernhard von Weimar persönlich hatte, ja vielleicht sogar von ihm angezettelt worden war, der gern seinen Vorteil suchte und in der Regel dazu neigte, eigenwillig und geschäftstüchtig zugleich zu sein. Die Herrschenden sahen sich in den Händen derer, die ihre gehorsamen Werkzeuge hätten sein sollen. Die großen Veränderungen in der Art der Kriegführung, unter anderem in Form leicht beweglicher Formationen und gut aufeinander abgestimmter Waffenarten, setzten voraus, dass die Soldaten strenger gedrillt und besser ausgebildet waren als früher. Viele Kriegsherren hatten auch entdeckt, dass es fast nur Söldner waren, die in dem erforderlichen Maß gedrillt wurden, dass nur geübte Berufskrieger lernen konnten, die komplizierten Manöver zu meistern, die auf dem Schlachtfeld ausgeführt werden sollten. (Die schwedische Armee war gewissermaßen eine Ausnahme, weil das Reich so arm war, dass man nur ausgehobene Bauernsoldaten im Feld einsetzen konnte.) Söldner hatten indessen gewisse offensichtliche Nachteile, die sich immer deutlicher zeigen sollten, je länger der Krieg währte. Söldner sind nämlich unzuverlässig und kämpfen für ihren Sold, und wenn dieser ausbleibt, gibt es wenige oder keine Bande, die sie halten. Und natürlich kann man es gut finden, dass es diesen angeheuerten Kriegern gleichgültig war, wenn ein Krieg sich in die Länge zog – sie hatten keine Sehnsucht nach der Heimat –, aber sie hatten auch kein direktes Interesse daran, eine Entscheidung in den Kämpfen herbeizuführen, im Gegenteil: Viele von ihnen sahen es gern, dass der Unfriede so lange wie möglich dauerte. Es war offenbar, dass sich diese aus launischen und unbeständigen Berufskriegern rekrutierten großen Armeen zu eigenständigen Machtfaktoren ausgewachsen hatten. In dieser Lage hatten ihre Auftraggeber keine andere Wahl, als zu bezahlen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Die für die Zeit unvorstellbare Summe von fünf Millionen Reichstalern floss in die Armee, das meiste in Form von deutschen Gütern und Ländereien, die von der schwedischen Krone als Lehen vergeben wurden; der Löwenanteil ging an Herzog Bernhard, der sich bald als der glückliche Besitzer zweier ganzer Bistümer sah. Wenn Axel Oxenstierna jedoch glaubte, sich auf diese Weise für alle Zukunft die unverbrüchliche Loyalität des Heers erkauft zu haben, so hatte er sich getäuscht.
    Die großzügigen Soldzahlungen waren nicht vor August abgewickelt, und während die Offiziere mürrisch unten an der Donau saßen und ihre Schwertscheiden scheppern ließen, verging der Teil des Jahres, der für militärische Unternehmungen am besten geeignet war, ohne dass sich etwas anderes tat, als dass ihre in gravierender Weise vernachlässigte und in nicht minder gravierender Weise verwilderte Soldateska in den eigenen Ländern raubte, wütete und plünderte.
    So kam es in diesem Jahr kaum zu nennenswerten Kriegshandlungen. Entsprechend

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