Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
den Vorstellungen Axel Oxenstiernas von einer strategischen Defensive war das große Heer, das bei Lützen gekämpft hatte, in mehrere kleinere Armeen aufgeteilt worden. Diese Aufsplitterung der Kräfte wurde noch problematischer dadurch, dass Axel Oxenstierna keinen obersten Befehlshaber über die gesamten Streitkräfte ernannte. Das Ergebnis waren ein paar zusammenhanglose Operationen hier und da: in Franken und Schwaben und am Rhein, in Schlesien, Sachsen und Westfalen. Die protestantischen Befehlshaber tauschten eifersüchtige Blicke und weigerten sich nicht selten, einander beizustehen – bei mindestens einer Gelegenheit setzte einer dieser Generale eine völlig fiktive Kampagne in Gang, nur um einem Rivalen keine Verstärkungen schicken zu müssen. Der raumgreifende Schwung der beiden voraufgegangenen Jahre war erlahmt, und der frühere gemächliche Trott kehrte wieder ein; kürzere Vorstöße und Gegenstöße wurden unternommen, eine Festung wurde erobert, eine andere verloren, wieder starben Tausende – und so weiter.
1633 war auch das Jahr, in dem man sehen konnte, dass die verschiedenen Konflikte in Europa praktisch im Begriff waren, zu einem einzigen, kolossalen Krieg zu verschmelzen.
Bei der kleinen Stadt Oldendorf in Nordwestdeutschland trafen einige der nationalschwedischen Truppen, die bei Lützen gekämpft hatten, in einer kleineren Schlacht auf kaiserliche Truppen und siegten trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit. Nachdem die Finnen, Västgöten, Uppländer und andere die eroberten feindlichen Fahnen gezählt hatten – 74 Stück –, sahen sie sich binnen kurzem in einen ganz anderen Krieg geworfen; sie wurden nämlich nach Westen geschickt, um während einiger Monate den langsam und umständlich operierenden Holländern in den kurz zuvor zwischen diesen und den Spaniern aufgeflammten Kämpfen eine kleine Handreichung zu geben. In der Praxis befanden sich nun Schweden und Spanien im Krieg miteinander.
Dies war indessen nicht das erste Zusammentreffen von schwedischen und spanischen Verbänden. Schon im Jahr zuvor waren Gustav Adolfs Truppen am Rhein in direkte Kämpfe mit spanischen Soldaten verwickelt gewesen. 1633 befanden sich mehrere habsburgische Besitzungen am Rhein in schwedischer oder französischer Hand. Dies bedeutete, dass der sogenannte Spanische Weg, also das zusammenhängende Band habsburgischer Länder, das sich in einem Bogen von Italien zu den Spanischen Niederlanden erstreckte, unterbrochen war. Die in erster Linie Betroffenen waren die Regierenden in Madrid, denn die einzig sichere Art, Verstärkungen zu dem Krieg in den Niederlanden hinaufzuschaffen – die See beherrschten ja die Holländer –, war, die Truppen auf diesem Spanischen Weg über Land marschieren zu lassen. Eine spanische Armee unter dem Herzog von Feria sammelte sich bei Mailand und machte sich auf den Weg über Valtellina und den Rhein, nach Norden und Holland. Unterwegs sollten Ferias Männer die wichtigen Territorien entlang des Rheins von allen Eindringlingen befreien. Gesagt, getan. Konstanz und Breisach, zwei wichtige Orte, die von schwedischen Truppen bedroht waren, wurden entsetzt, sodass der Weg durch das Elsass nach Norden wieder gesichert war. Als die Franzosen daraufhin in Lothringen einfielen – die nächste Etappe auf dem Spanischen Weg –, erhielt Feria Order, sie zu vertreiben. Es war jedoch für den Herzog zu spät im Jahr, um gegen die Franzosen zu marschieren. Ferias Heer – das aus Zeitmangel weder mit Artillerie noch mit einem Tross oder Versorgungsapparat ausgerüstet worden war – zog sich in einem betrüblichen Zustand nach Süden zurück. Ein bayerischer Mönch, Maurus Friesenegger, war in den Herbstmonaten Augenzeuge, wie Banden eigener und feindlicher Truppen abwechselnd in der Umgebung plünderten und mordeten. Am Ende war die Not unter Ferias Soldaten so groß, dass sie das Saatgut der Bauern stahlen und Hunde und Katzen aßen, um zu überleben. Am 30 . Dezember konnte Friesenegger die spanischen Regimenter Musterung halten sehen, «ein Spektakel», wie der Mönch fand:
Mehrere, nur halb volle Kompanien, schwarze und gelbe Gesichter, ausgemergelte Körper, halb bedeckte, oder mit Lumpen umhängte, oder in geraubte Weibskleider einmaskierte Figuren, eben so wie Hunger, und Not aussieht. Beinebens waren aber die Offiziere ansehnliche und prächtig gekleidete Leute.
Indessen erkrankten, und starben auch viele von den Soldaten vor Hunger, und Kälte, so daß ihr Feldpater in
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