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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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einem Tage 30 Kranke zur Beicht hören mußte.
    Nördlingen 1634
    Bevor der Winter zu Ende ging, waren Feria selbst und der größte Teil seiner Männer an der Pest gestorben. In der Praxis befanden sich jetzt auch Spanien und Frankreich im Krieg miteinander. Einen Unfrieden dieses Ausmaßes hatte Europa nie zuvor gesehen. 1634 war das Jahr, in dem sich die Erde, die schon vorher leicht besorgniserregend gebebt hatte, plötzlich unter den Füßen der Schweden öffnete.
    Die Operationen begannen gut für die Feinde des Kaisers. Sächsische Truppen rückten bis an die Mauern Prags vor, während die Schweden und ihre Verbündeten tief in Bayern eindrangen. Feindliche Gegenstöße ließen jedoch den schwedischen Vormarsch zum Stillstand kommen, woraufhin die kaiserliche Hauptarmee eine Belagerung der protestantischen Stadt Nördlingen nördlich der Donau einleitete. In einem Versuch, die Stadt zu entsetzen, griffen der Feldmarschall Gustav Horn und Bernhard von Weimar mit ihren vereinten Armeen – vereint eher in einem formalen Sinn, denn den beiden Herren fiel es überaus schwer zusammenzuarbeiten, und keiner von beiden wollte sich dem anderen unterordnen – die kaiserliche Armee an. Die Gegner hatten Verstärkung durch eine spanische Armee bekommen und waren folglich zahlenmäßig überlegen und zu allem Überfluss noch auf ein paar kleinen Hügeln südlich der Stadt eingegraben.
    Dem höchsten dieser Hügel, Allbuch, kam eine Schlüsselposition zu. Wenn es den Angreifern gelang, diese Höhe einzunehmen, würden sie die Belagerungsarmeen unten in der Ebene und auf der Kette von niedrigen Hügeln zwischen Allbuch und Nördlingen überflügeln können. Dort sollte der Vorstoß ansetzen. Zuerst ging alles wie gewohnt. In der frühen Morgendämmerung rückte Horns rechter Flügel über die sumpfigen Wiesen vor und drängte zum Allbuch hinauf. Vor dem massiven Ansturm der schwedischen Truppen ließen die erst kürzlich rekrutierten Soldaten auf der Anhöhe ihre schweren Kanonen im Stich und flüchteten aus den drei halbmondförmigen Schanzen auf den Gipfel des Hügels. Dann ging alles schief. Zwei schwedische Brigaden griffen sich irrtümlich gegenseitig an, und es dauerte eine Weile, bis man sie trennen konnte. Inzwischen gingen kaiserliche Kürassiere und hartgesottene spanische und italienische Infanterie zum Gegenangriff über. Jetzt hätten Horns Leute Hilfe gebraucht, doch wegen des Pulverdampfs sah die eigene Reiterei nicht, was passierte, und blieb in beschaulicher Meditation unterhalb des Hügels stehen. Die Schanzen und der Hügel wurden zurückerobert. Horn war jedoch fest entschlossen, ihn wieder einzunehmen. Gustav Horn, Anfang vierzig, dunkelhaarig und mit einem kantigen Gesicht und Spitzbart, hatte seine gesamte militärische Laufbahn in Gustav Adolfs unmittelbarer Nähe verbracht und an sämtlichen größeren Kampagnen und Schlachten seit der Belagerung Rigas 1621 teilgenommen. Als Militär war er erfahren, kaltblütig, ruhig und fleißig, aber wohl kein Genie, dafür war er allzu unflexibel, phantasielos und vorsichtig. Und es war die Phantasielosigkeit, die ihn an diesem Tag bei Nördlingen auszeichnete.
    Ein ums andere Mal brandeten die Wellen von Männern und flatternden, von Geschossen zerfetzten Feldzeichen den Allbuch hinauf. Ein ums andere Mal wurden sie, dezimiert und von Pulverstaub bedeckt, wieder zurückgeworfen, den vom Blut glitschigen Grashang hinunter; und ein ums andere Mal wurden die gelichteten Reihen geordnet und wieder losgeschickt. Die Spanier hinter den Schanzenwällen zählten bis zu fünfzehn Angriffe in Folge.
    Horn hatte noch nicht genug. Obwohl er hoffte, oder auf jeden Fall hoffen wollte, dass der Sieg nur einen Angriff entfernt war, verringerten sich die Erfolgschancen stetig. Die Reihen der Verteidiger wurden immer von hinten aufgefüllt, während Horns Soldaten immer weniger und immer müder wurden; es kostete große Mühe, sie dazu zu bewegen, sich den feuerspeienden Wällen auf dem Gipfel des Allbuch zu nähern. Viele verschwanden unter dem Vorwand, verwundete Kameraden fortzutragen, aus dem Glied. Es war zwölf Uhr mittags geworden, als Horn schließlich einsah, dass das Unternehmen zum Scheitern verurteilt war, und aufhörte, seine zerfetzten Bataillone in den Fleischwolf zu stampfen, und stattdessen den Befehl zum Rückzug gab. Von da an ging alles drunter und drüber.
    Die Kaiserlichen hatten geduldig auf diesen Augenblick gewartet. Nun setzte sich ihre ganze lange

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