Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Schlachtlinie in Bewegung. Zu den Rufen
Santiago!
und
Sierra España!
marschierten die hartgesottenen spanischen Verbände von den Höhen herab und gingen auf breiter Front zum Gegenangriff über. Unter dem Druck dieses Angriffs entstand unter Horns erschöpften Soldaten zuerst Unordnung und dann Panik. Wellen kaiserlicher Reiterei brachen über die in Panik geratenen Soldaten auf der rechten Seite herein.
Und der Schrecken eiskalt klar
wie Mondschein über Schnee
ergriff sie; die Verbände wurden aufgerieben und in dem hügeligen Waldgelände wie Laub verweht. Auch der linke Flügel unter Bernhard von Weimar, der bis dahin nur ein paar kleinere Gefechte gesehen hatte, wurde in dem allgemeinen Gegenangriff überrannt. Feindliche Reiterei hieb und stach in die zersplitterten Ströme laufender, schreckenerfüllter Männer.
Zu dem Riskantesten, das man in einem Kampf tun kann, gehört paradoxerweise der Versuch, diesen zu verlassen; man kehrt dabei dem Feind den Rücken zu und ist praktisch wehrlos. Diese Wahrheit offenbarte sich den Soldaten Horns und Bernhards, die in Scharen getötet wurden. Einer von denen, die an dem Massaker teilnahmen, war ein spanischer Soldat mit Namen Estebanillo Gonzales. Er war in der Eröffnungsphase der Schlacht von Panik gepackt worden und hatte sich neben einem toten Pferd auf den Boden geworfen, als sei er dessen gefallener Reiter. Da lag er unbeweglich, während der Kampflärm die Luft erfüllte, aber als er das Triumphgeschrei der eigenen Verbände hörte, fasste er Mut, sprang auf und lief mit einem großen Messer in der Hand hinter seinen angreifenden Kameraden her, um, wie er selbst sagt, «ein paar Schweden in Streifen zu schneiden». Er war unter denen, die auf der Walstatt umherstiefelten und die blutigen, jammernden Bündel, die überall herumlagen, totstachen und ihre Habseligkeiten stahlen. Rund 6000 von Horns Soldaten wurden getötet oder verwundet, ungefähr ebenso viele wurden gefangen genommen – darunter Horn selbst –, und 130 Fahnen, an die 70 Kanonen und 4000 beladene Trosswagen wurden die Beute der Sieger. Und oben auf dem leichenübersäten Allbuch warfen die kampferprobten spanischen Regimenter im Triumph ihre Hüte in die Luft und riefen hurra für das Haus Habsburg. Fünf Tage lang feierten sie ausgelassen mit dem Fleisch, Brot und Wein, die die Flüchtenden zurückgelassen hatten.
Der Ausgang der Schlacht war für viele eine Katastrophe, nicht zuletzt für alle Protestanten der Umgebung, die bereits vorher schwer gelitten hatten. Das südwestlich von Nördlingen gelegene Dorf Neenstetten war ein paar Wochen vor der Schlacht schwer heimgesucht worden, als Bernhards Truppen auftauchten. In dem selbstverständlichen Glauben, diese seien freundlich gesinnt, hatten die Bewohner nicht wie üblich ihr Eigentum versteckt. Doch Bernhards Truppen – seine Reiter nach gravierenden Pferdeverlusten weitgehend zu Fuß, die Sättel auf dem Rücken tragend – nahmen sich, was sie haben wollten, «Pferde, Vieh, Brot, Mehl, Schmalz, Tuch, Leinen, Kleidung», und «schossen, hieben und schlugen». Zwei Tage lang vermochten die Bewohner von Neestetten die Banden der «eigenen Truppen» fernzuhalten, indem sie sich in der Kirche verbarrikadierten. Gegenwehr konnte sich lohnen für die Zivilbevölkerung. Das kleine Dorf Linden war früher im Jahr von 20 schwedischen Soldaten überfallen worden. Sie waren hereingeritten, hatten Essen und Wein gefordert, Türen eingeschlagen und nach Wertsachen zu suchen begonnen. Zwei waren in das Haus des Bauern Georg Rösch eingebrochen, und einer von ihnen, ein Reiter aus dem östlichen Finnland, hatte dessen Frau vergewaltigt und sein schreiendes Opfer anschließend die Dorfstraße entlanggejagt. Inzwischen hatten die Bauern von Linden die Männer in den benachbarten Dörfern alarmiert, und diese tauchten nun aus den umgebenden Wäldern auf, griffen die Soldaten, nahmen ihnen ihre ganze Beute ab und verschwanden mit einigen der Pferde. Als Horn nach und nach von dem Vorfall erfuhr, erteilte er dem verantwortlichen Offizier eine Rüge und gab den Befehl, dass die Bauern in Ruhe gelassen werden sollten. Die Bewohner von Neestetten hatten nicht das gleiche Glück, als sie sich in der Kirche verteidigten. Die Soldaten fingen nämlich an, die Häuser des Dorfs niederzubrennen, und der Anblick der Feuer-und Rauchbüschel ließ die Menschen die Barrikaden verlassen, der Widerstand brach zusammen, und das Dorf wurde geplündert. Nach der Schlacht
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