Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
am 27 . August begriffen die Menschen bald, was geschehen war. Hans Heberle, der Schuhmacher der Stadt, berichtet in seinem Tagebuch:
Da sie alles verlohren und Gustaffus Horn gefangen, und hertzog Bernhart verwundt, da ist sein gantze arme ruoniert und in die flucht komen, das die flichtigen reiter am mittag schon bey unß gewesen. Und da wir solches erfahren, saumpten wir unß nicht lang. Wer lauffen kan, der laufft, das wir den selbigen tag noch mechten nach Ulm komen. Dan es thut gar not, dan der feind war unß auff dem hals. So schencken unß die Schweden auch nichts. Was sie bey unß erwischen kundten in der flucht, das thon sie auch in ihrer flucht, das wir beyde auff dem halß haben.
Die Schlacht bei Nördlingen 1634 . Hinter den aufgeworfenen Erdwällen kampieren die kaiserlichen Truppen nach Regimentern geordnet; die Trosswagen sind in Reih und Glied aufgestellt, die Piken stehen in eigens dafür vorgesehenen Gestellen. Man beachte die Lagerfeuer und die Frauen, die Essen zubereiten. Das Kampfgeschehen befindet sich in seiner Schlussphase. Am oberen linken Rand haben die Kaiserlichen gerade zu ihrem Generalangriff auf die retirierenden Schweden angesetzt.
Nach einiger Zeit in Ulm – bevor der Krieg zu Ende war, sollten er und seine Familie dreißigmal Schutz hinter den Mauern der Stadt suchen – kehrten sie zu einem zerstörten Dorf, verwüsteten Äckern und bevorstehendem Hunger zurück. (Die Protestanten in der Umgebung hatten teuer für die Niederlage bezahlt: Kaiserliche Truppen hatten binnen drei Monaten unter anderem 30 000 Pferde, 100 000 Kühe und 600 000 Schafe geraubt.) Der Herbst wurde entsetzlich. Wie gewöhnlich waren es die Schwächsten, die als Erste starben. Zwischen sieben und acht Uhr am Morgen des 19 . September starb der vier Wochen alte Sohn des Schuhmachers, Bartholomäus; am 7 . Oktober starb auch sein zweiter Junge, Thomas; am 30 . November starb die Schwiegermutter; am 1 . Dezember seine Schwester Barbara; am 2 . Dezember die Schwester Dorothea; und am 18 . Dezember die dritte Schwester, Ursel.
Obwohl keine nationalschwedischen Verbände an dem Debakel bei Nördlingen beteiligt waren, hatte das Geschehene für die schwedischen Interessen katastrophale Folgen. Die schwedische Intervention war unter den deutschen Fürsten nie populär gewesen. Die Unterstützung der breiten protestantischen Schichten, die man einst genossen hatte, wurde in dem Maße ausgehöhlt, wie die schwedische Armee zu einer weiteren schlecht disziplinierten Masse verwilderter und diebischer Landsknechte entartet war. Dies bedeutete, dass die schwedische Position in Deutschland mehr denn je zuvor auf gespitzten Piken und gezogenen Degen ruhte. Und als nun der Hauptteil der schwedischen Waffenmacht bei Nördlingen zu Staub zermahlen war, fanden Axel Oxenstierna und die mit ihm verbündeten Landesfürsten sich in einem luftleeren Raum wieder. Alles brach zusammen. Verängstigt und mutlos evakuierten die Schweden alle ihre Garnisonen im Süden Deutschlands.
Der Kollaps war nah. Sehr nah.
Im Jahr 1635 rollte die Lawine von Zerfall und Defätismus, die durch die Niederlage bei Nördlingen in Gang gesetzt worden war, weiter. Der Anblick schwedischer Truppen, die Sack und Pack zusammenklaubten und am nördlichen Horizont verschwanden, ließ zahlreiche protestantische Fürsten wohlig frösteln. Der Bund von Heilbronn zerfiel rasch. Im weiteren Verlauf des Jahres wandten sich auch die alten Bundesgenossen nacheinander von der schwedischen Krone ab. Im Mai 1635 wurde in Prag ein Frieden zwischen dem Kaiser und Sachsen geschlossen. Zu dieser Übereinkunft hatte sich der unbeugsame Kaiser Ferdinand, der in seiner felsenfesten Einfalt noch immer den Gedanken an einen totalen Sieg über alle Ketzer im Reich nährte, nur schwer durchgerungen. Erst nachdem seine Ratgeber beteuert hatten, dass er praktisch kaum Geld für die Weiterführung des Krieges hatte, und nachdem eine Konferenz von 26 Theologen nach mancherlei gelehrtem Kopfschütteln zu der Ansicht gekommen war, dass er die Seligkeit seiner Seele durch den Friedensschluss mit einer protestantischen Macht wohl nicht aufs Spiel setze, hatte er der Unterzeichnung dieses Traktats zugestimmt. In der kompromissbetonten Übereinkunft hieß es unter anderem, dass Sachsen – und alle anderen Staaten, die sich dem Frieden anschlössen – sich verpflichtete, seine Streitkräfte unter den direkten Befehl des Kaisers zu stellen und ihm zu helfen, all jene Territorien,
Weitere Kostenlose Bücher