Verwüstung
Nadelelektroden Haut oder Kleidung trafen, störte ein elektrischer Impuls die neuromuskuläre Kontrolle des Opfers und beraubte ihn oder sie so der Möglichkeit, koordinierte Bewegungen auszuführen. Der Elektroschock, so viel wusste sie, war voreingestellt und dauerte etwa dreißig Sekunden, sodass die Person – ich, ich bin die Person – sich nicht sofort berappelte und die Nadeln rausriss. Es konnte tödlich sein. Es zog ihr die Beine weg und ließ ihren Körper zucken, während ihre Muskeln sich zusammenzogen. Sie zappelte wie ein plattgefahrener Frosch, bis ihr Körper sich schließlich zusammenkrümmte wie ein Fötus.
Sie verlor die Kontrolle über ihre Blase, Tia spürte die Wärme aus sich herausströmen wie damals, als ihre Fruchtblase platzte und sie während Andrew verfrühte Wehen hatte. Und dann war sie weg, ihr Hirn klebte in dem Schrecken von vor zwölf Jahren.
Teil 3
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Der Sturm
»Im 20. Jahrhundert haben Hurrikans in den USA einen Schaden von 73 Milliarden Dollar angerichtet. In den 70 Jahren von 1925 bis 1995 wurde der Schaden mit 61 Milliarden Dollar beziffert. In diesen 70 Jahren kam es zu 244 Stürmen. Der durchschnittliche Sturm hätte bei heutigen Preisen und Küstenentwicklungen einen Schaden von 1,5 Milliarden Dollar angerichtet.«
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23
Der Generator erzitterte, stieß ein schreckliches Keuchen aus und gab den Geist auf, im Keller wurde es dunkel, Ventilator und Kühlschrank versagten ihren Dienst.
Ohne die Geräusche des Generators hallte das volle Orchester des gewaltigen Sturms um Sheppard herum. Geigen kreischten Noten zwei Oktaven zu hoch, Hörner und Trompeten quakten, Cellos, Harfen und Violinen wurden von Anfängern malträtiert, Zimbeln sinnlos gegeneinandergeschlagen. Und zu all dem bildete das Geräusch des Wassers, das durch den Abfluss hochquoll, einen eigenartigen akustischen Hintergrund, wie ein gurgelndes Bächlein oder ein langsam fließender Strom. Unter anderen Umständen wäre dieser Klang durchaus entspannend gewesen, jetzt hingegen erhöhte er nur Sheppards Angst vor ihrem bevorstehenden Schicksal.
Sheppard ließ seine Taschenlampe aufleuchten und ging zügig durch den Keller, er schaltete die batteriebetriebenen Sturmlaternen ein, die sie auf die Ausrüstungskisten gestellt hatten. Er positionierte sie an strategischen Stellen im Keller, sodass das Licht bis in die dunkelsten Ecken gelangte. Die Beleuchtung zwang seine düsteren Befürchtungen, in diesem Keller sterben zu müssen, zurück in den Abgrund, aus dem sie gekommen waren, weckte aber auch Dillard.
Der legte wieder los wie ein hungriger Hund, der seine üblichen Tricks abzog. Er rollte auf seinem Schlafsack umher, blökte in seinen Knebel, zerrte an den Seilen, die seine Arme und Beine zusammenschnürten.
»Du wirst abwarten müssen, bis du dran bist, Leo«, sagte Sheppard zu ihm und kauerte sich neben Emison, um dessen Zustand zu überprüfen.
Er berührte Emisons Kopf: Das Fieber schien gesunken zu sein. Aber sein Atem ging schnell und flach, und sein Puls war viel zu schnell für einen Mann, der seit Stunden flach auf dem Rücken lag. Da Sheppard Franklins kleinen Vorrat an Latex-Handschuhen aufgebraucht hatte, achtete er sorgsam darauf, sich nicht die Hände zu beschmutzen, als er das Laken unter Emison daraufhin überprüfte, ob es trocken war. Das war es. Er wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Konnte man pinkeln, auch wenn die Nieren versagten?
Sheppard schlug den unteren Teil des Lakens zur Seite, um einen Blick auf Emisons Bein zu werfen. Die Wunde schien nicht mehr zu bluten. Das war gut. Er wickelte den Verband ab. Die Stiche hatten die Blutung gestillt, aber was Sheppard sonst noch sah, gefiel ihm gar nicht. Die Haut um die Stiche herum war geschwollen, und Eiter quoll heraus. Rote Streifen erstreckten sich aus der Mitte des Stichs heraus wie eine Straßenkarte. Eine Infektion. Hieß das, Augmentin war nicht das richtige Medikament? Es hatte noch nicht gegriffen? Er hatte Emison nicht genug gegen die Infektion gegeben?
Sheppard spritzte Betadine auf die Wunde, ließ es trocknen, strich dann mit einem Wattestäbchen antibiotische Salbe auf die Stiche. Als er einen frischen Verband anlegte, wachte Goot auf. »Was ist los?« Er hob den Kopf von seinem Schlafsack.
»Der Generator ist aus.«
»Kommt immer noch Wasser aus dem Abfluss?
»Ja. Ich habe einen Damm aus Kisten, Handtüchern und Laken gebaut, damit es hier drüben trocken bleibt,
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