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Verwüstung

Verwüstung

Titel: Verwüstung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. J. MacGregor
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kippte nach hinten, kreischte wie ein verängstigtes Baby, prallte gegen die Wand. Bevor sie sich aufrichten konnte, bevor sie zu sich kam, tauchte Mira hinter dem Couchtisch auf, schob ihn durch das Wasser, gegen den wirbelnden Wind, und traf Crystal, die versuchte aufzustehen, seitlich. Das Gewehr fiel auf den Boden und kreiselte im Wasser.
    Als Mira aufsprang, um es zu packen, stieß Crystal den Couchtisch zurück in ihre Richtung. Mira sprang aus dem Weg, stolperte aber über etwas hinter sich. Und plötzlich lag Crystal auf ihr, sie kämpfte wie eine wildgewordene Straßenkatze, sie biss und kratzte, trat, boxte. Der andauernde und gewalttätige physische Kontakt ließ Miras Empfangskanäle alle aufspringen. Bilder aus Crystals Leben ergossen sich in sie – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, mögliche Zukünfte, Wahrscheinlichkeiten, alles ballte sich in einem einzelnen pulsierenden Moment, in dem Mira vor sich sah, wie Crystal sie erschoss.
    Alles in ihr verschloss sich, als hätte eine göttliche Hand die Sicherungen rausgedreht, und sie trat, biss und schlug. Sie rollten durch das Wasser, näher an die Waffe.
    Der Alarm schrillte in Tias Kopf: Öffnung, Öffnung. Wind und Regen erfüllten das Zimmer, der Wirbel ließ die Fenster erzittern, riss Türen auf und knallte andere zu, ließ Bücher durch die Luft fliegen, warf Kisten und Kleinzeug um, riss Bilder von den Wänden. Wasser ergoss sich auf den Boden.
    Tia zerrte an ihren Handgelenken, doch das Klebeband, das bis zu ihren Ellbogen hochgewickelt war, hielt stand. Sie bemühte sich, die Beine freizubekommen, rieb ihr Gesicht an der Schulter, um das Klebeband abzurollen, das ihren Mund bedeckte, spannte wieder die Beinmuskeln an. Mit einem Mal waren ihre Füße frei, und sie schob sich auf den Bauch über den nassen Boden wie ein riesiger, eigenartiger Wurm.
    Die Läden vor der Terrassentür flogen plötzlich auseinander, die Tür wurde aufgerissen, und ein Mann in einem gelben Regenmantel schoss herein – ein Bulle, das war ein Bulle – seine Kapuze verschwunden, die Schuhe verschwunden, die Pistole gezogen. Das blöde weiße Mädchen sah ihn, griff nach dem Gewehr, schoss einmal, zweimal, und der Bulle flog nach hinten, stieß gegen die Tür, rührte sich nicht mehr. Tia rief Mira zu, sie sollte weglaufen, dann stürzte sie sich auf Crystal. Die Zeit verlangsamte sich, der Ton war aus. In einem Augenblick entsetzlicher Klarheit, einem Augenblick, der sich in die Ewigkeit zu erstrecken schien, sah Tia, wie Crystal den Finger auf den Abzug des Gewehrs legte, und wusste, dass sie nicht schnell genug aus dem Weg käme.
    Aber nichts geschah.
    Die Waffe war leer.
    Ihre nackten Füße trafen Crystal an der Brust, stießen sie zurück. Im Fallen konnte Tia das Gleichgewicht nicht halten, nicht mit auf dem Rücken zusammengeklebten Armen. Crystal knallte gegen die Couch, die durch den Aufprall an die Wand rutschte, und Tia ging zu Boden, ihre Hüfte und die verletzte Schulter schlugen auf. Sie musste einen Moment ohnmächtig gewesen sein, denn als sie zu sich kam, stand Crystal vor ihr, sie kreischte und schlug mit dem Gewehr nach ihr – auf die Oberschenkel, die Beine, die Arme.
    Sie rollte sich zur Seite, das Gewehr fiel auf den nassen Boden, und dann war es verschwunden, und Crystal lag der Länge nach mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Mira half Tia hoch. Ihr schwindelte, ihr Körper stand in Flammen, der Wind zerrte an ihr. Das Nächste, was sie wusste, war, dass sie flach auf dem kalten, nassen Boden lag, ihre Arme und Beine vom Klebeband befreit. Obwohl sie immer noch den Wind hörte, war es nicht Andrew, es war nicht Gott. Sie hob den Kopf und sah Mira und ihre Tochter einen Schreibtisch vor die Tür schieben. Sie lachte beinahe darüber – ein Schreibtisch als Schutz vor dem Ende der Welt.
    Tia zwinkerte erneut, und jetzt kroch die alte Dame in den Schrank. Noch einmal zwinkern, und sie war an einem anderen Ort, in einem kleinen, engen Raum, wo die Luft nach menschlicher Angst roch, diesem eigenartigen und unbeschreiblichen Entsetzen, das einen überfiel, wenn man wusste, dass einem nur noch wenige Minuten auf dieser Erde blieben.
    Ein Zittern ging durch den Raum, die Wände schienen zu beben. Der Hund heulte, das Mädchen schluchzte, die Katzen duckten sich. Die Kerzen, die irgendwer entzündet hatte, flackerten und tanzten, erloschen beinahe. Ein Körper, hingekauert vor der Tür, stopfte Handtücher und Laken vor den Spalt, ein

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