Verwüstung

hörten solche Unterschiede auf, überhaupt noch etwas zu bedeuten. Der Wind riss das Dach weg, als wäre es nichts anderes als der Blechdeckel einer Thunfischdose.

26
    Extreme Hitze, niedrige Decke, Dunkelheit, Echo: All das vergrößerte nur Sheppards Gefühl, dass er bei lebendigem Leibe begraben wurde.
    Als er am Ende der Reihe hinter Dillard herkrabbelte, brauchte er seine ganze Kraft, um vorwärtszukriechen und seine Klaustrophobie im Kopf zu versiegeln. Seine Pfefferminzpastillen waren alle, und die Bilder, die er vom weiten blauen Himmel und weißen Stränden heraufbeschwor, halfen nicht viel. Er wiederholte immer wieder sein Mantra: Ich bin in Sicherheit, fühlte sich jedoch keineswegs sicher. Es half immerhin, dass Emisons Pappschlitten sanft und gleichmäßig über den Boden des Rohrs vor ihm rutschte, darauf konnte er sich konzentrieren.
    »Ich muss mal anhalten«, verkündete Dillard schwer atmend.
    »Wenn wir dauernd anhalten, kommen wir hier nie raus«, beklagte sich Goot.
    »Dann zieh du doch den Schlitten, Gutierrez«, bellte Dillard.
    Sheppard schlug mit der flachen Kante des Messers auf Dillards Fußsohle. »Das tut weh«, blökte Dillard.
    »Das soll es auch. Die Vereinbarung war, dass du ihn ziehst. Also weiter.«
    »Lass mich bloß mal zu Atem kommen.«
    Ich kann das hier drin nicht mehr viel länger aushalten, ich drehe durch, ich flippe aus … Sheppard rutschte ein Stück zurück, die Arme vor sich ausgestreckt, seine Nase berührte den kühlen Beton, sein Hintern ruhte auf seinen Fersen. Er schmiegte seine Arme an seinen Körper, wie eingezogene Schlingen. Kindeshaltung, eine Yogaposition, die Mira ihm vorgeschlagen hatte, half manchmal gegen einen Anfall, was ebenso mysteriös war wie die Wirkung der Minze.
    Sheppard zwang sich zu atmen, sich Wiesen und Strände und weiten Himmel vorzustellen. Trotz dieser Bemühungen begann er, das Gewicht der feuchten Erde auf dem Rohr zu spüren, sie umarmte es, zerquetschte es. Sein Atem ballte sich in seiner Brust, seine Finger umklammerten jetzt seine Schenkel, Schweiß troff ihm aus den Poren. Er kniff die Augen zu, um jeden weiteren äußeren Eindruck zu vermeiden, der nur seine Übelkeit und den gesamten Anfall verstärken würde. Seine einzige Alternative, vergegenwärtigte er sich, war umzukehren und in den Keller zurückzukriechen, wo er garantiert im Abwasser ertrinken würde. Diese Erkenntnis half ihm, sich zu beruhigen.
    Als sie weiterkrabbelten, trottete die Katze – die sie inzwischen Liberty getauft hatten – durch das Rohr zurück und miaute Sheppard an, als wollte sie ihn drängen, sich zu beeilen. »Geh einfach vor, meine Kleine.« Er streichelte sie kurz, dann huschte sie davon, eilte Goot und Dillard voraus.
    Sheppard konzentrierte sich auf seine Bewegungen – linke Hand, rechtes Knie, rechte Hand, linkes Knie, dann wieder von vorn – und verfiel in den Rhythmus. Nach einer Weile bannte der Rhythmus ihn. Er war ein Herdentier geworden, wie ein Esel, ein Elefant, ein Lama, ein Pferd, er folgte dem Rest der Herde, egal wohin. Ihm fiel auf, dass das Rohr sich verengte, dass sein Rucksack jetzt an der Decke kratzte, dass die Wände sich näherten. Augenblicklich nahm er wieder die Kindeshaltung ein, er grub panisch nach einem weiteren Pfefferminz, als ihm einfiel, dass er das letzte bereits gelutscht hatte. Er versuchte, sich an seine Standardbilder zu erinnern. Nichts half. Sein Mund wurde trocken, Schweiß strömte aus seinen Poren, ihm drehte sich alles. Er war nur noch Sekunden entfernt von einer ausgewachsenen Klaustrophobie-Attacke.
    »Das Rohr steigt an und verengt sich«, rief Goot. »Und es riecht hier feucht.«
    Sheppard widerstand dem Drang, seinen Rucksack herunterzureißen und sich entweder nach vorn zu werfen oder zurück in den Keller zu kriechen. Wenn er sich nach vorn warf, würde er k.o. gehen. Und zurück konnte er nicht. Aber vor allem ging es darum, dass alle Formen von Panik die Klaustrophobie nur noch verstärkten. Also zwang er sich, sich auf die Seite zu legen, langsam seinen Rucksack abzunehmen und hineinzugreifen. Nimm dir eine Flasche Wasser heraus. Roll sie über dein Gesicht, deinen Nacken. Okay, jetzt ist es besser, lass die Augen aber zu. Such einen weiten, freien Ort in deinem Kopf.
    »Shep? Alles in Ordnung?«, rief Goot.
    »Ich hole bloß Wasser aus meinem Rucksack.« Kein Problem. Überhaupt keins.
    Aber Goot kannte Sheppard fast genauso gut wie der sich selbst, und er wusste auch, dass er es