Verwüstung
denen verstecken. Aber nichts davon ist je in den Nachrichten gelaufen. Und ich habe auch nie ein Wort gehört über das Atomkraftwerk fünfzehn Kilometer südlich, über die Risse in den Schloten.«
Jetzt hörte er ihr aufmerksam zu. Crystal auch. Sie saßen am Küchentisch, aßen Rührei und Pilze, starrten Tia an. »Davon hast du mir nie was erzählt«, wandte Crystal ein. »Wir waren Monate in einer Zelle, und ich habe nie davon gehört. Aber, Tia, Billy war Meteorologe, also schätze ich, er weiß ein bisschen mehr über Hurrikans und all diese Sachen als du. Nicht böse gemeint«, setzte sie schnell hinzu.
Draußen nahm der Wind erneut zu, er peitschte die ersten Tropfen gegen die Fenster, und dann begann der Regen, heftiger zu fallen. Franklin neigte den Kopf, er lauschte auf eine Art, die aussah, als verstünde er den Rhythmus des Regens und des Windes,so wie ein Musiker die Geheimnisse des Instruments, das er spielt, verstand.
»Die äußeren Winde kommen näher«, sagte er.
»Ja, toll.« Tia beugte sich vor, die Hände auf den Tisch gestützt. »Also, haben wir hier etwas, womit wir die Fenster vernageln können? Das wäre ein Anfang.«
»Ich habe etwas Besseres.« Er zwinkerte Crystal zu. »Erinnerst du dich, Baby?«
»Oh. Ja.« Crystal grinste. »Das wirst du lieben, Tia.«
Sie stießen sich beide vom Tisch ab, und Franklin bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
Sie gingen hinaus in eine Doppelgarage, eine Holz- Garage, wie Tia unzufrieden feststellte, wo der Lieferwagen passgenau zwischen Wänden aus Kisten, einer Werkbank und einem Stapel Ersatzreifen stand. Noch etwas befand sich in der Ecke, von einer großen gelben Plane bedeckt. Er schob Kisten zur Seite und öffnete eine Falltür im Boden. Neu. Metall. »Wir haben einen Keller. Ist wahrscheinlich einer der wenigen Keller in Südflorida. Aber, hey, wir sind etwa dreißig Meter über dem Meeresspiegel.«
Er langte hinein und schaltete das Licht an, und Tia und Crystal quetschten sich neben ihn und schauten die lange Treppe hinunter. »Es gibt fließendes Wasser, eine Tiefkühltruhe voll Essen, Schlafsäcke, einen Generator, da unten wird es uns gut gehen. Kommt, ich zeige es euch.«
Sie folgten ihm die Treppe hinunter in einen kleinen Raum voller Krempel. Spülbecken. Waschmaschine und Trockner, kleine Tiefkühltruhe, Dutzende große Wasserflaschen, Kisten mit Essen, alles beleuchtet von einer Vierzig-Watt-Birne, die nackt von der Decke hing. Und kein anderer Ausgang. Ein Sarg. Es war bloß ein Sarg voller Zeug, das man ins nächste Leben mitnehmen konnte.
Panik hämmerte in Tias Brust, sie bekam keine Luft mehr, der Schweiß brach ihr aus, und sie lief zurück zur Treppe, sie schüttelte den Kopf, sie konnte wegen der durchdringenden, lähmenden Angst, die sie empfand, nicht einmal sprechen. Sie war bei Andrew lebendig begraben gewesen, und das würde sie nicht noch einmal mitmachen.
Tia stolperte und griff nach dem Geländer, flitzte darum herum und rannte die Treppe hoch, ihre nackten Füße klatschten auf das alte Holz, der Gestank von Schimmel, Dreck und Tod hing ihr in der Nase, erstickte sie beinahe. Sie lief in die Küche, ihre Brust hob und senkte sich, Luft zischte durch ihre zusammengebissenen Zähne durch. Sie rannte immer weiter, durch das Wohnzimmer zur Haustür.
Sie riss sie auf und lief hinaus, in den nassen Wind. Sie sog die Luft tief in ihre Lungen ein, kämpfte dagegen zu weinen, zu schreien, zu rennen wie der Teufel. Um sie herum zitterte der Wald, schüttelte sich, tanzte. Vögel stiegen in großen Schwärmen auf und flatterten nordwärts. Frösche hüpften umher, quakten im Regen. Tief in diesem Wald, das wusste sie, bereiteten sich die Tiere auf ihre eigene Art vor, manche gruben sich ein, andere eilten in Sicherheit, wie immer die aussah. Sie sank auf die Knie, ihre Gedanken rasten.
»Was zum Teufel ist dein Problem, Lopez?«, wollte Franklin wissen, als er hinter sie trat.
Tia schoss hoch und drehte sich mit einer solchen Aggressivität zu ihm um, dass er sie erschreckt anstarrte und einen Schritt zurücktrat. »Was ist nicht in Ordnung mit mir? Wach auf, du Penner. Du warst vielleicht ein Meteorologe, aber ich sage dir, der Keller ist eine tödliche Falle. Was passiert denn, wenn das Haus und die ganze Garage in sich zusammenbrechen und dich da drinnen einsperren? Es gibt keinen anderen Ausgang. Und wer wird dich dann rufen hören? Und wie lang reicht die Luft? Und wenn wir auch nur dreißig oder fünfzig Zentimeter
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