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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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Vielleicht solltest du versuchen, es einem Verlag anzubieten.“
    „Ich habe es für dich gemacht.“
    „Ich weiß. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es für andere auch interessant wäre.“
    „Es war nicht für andere gedacht.“
    „Harald, ich weiß die Mühe zu schätzen, die du dir für mich gemacht hast“, sagte sie sanft.
    Er versuchte, seinen scharfen Ton etwas abzumildern. „Hast du deine Reiseerlebnisse veröffentlicht?“
    „Ich habe keine geschrieben, und ich weiß auch nicht, ob ich so begabt im Schreiben wäre wie du.“
    „Warum hast du keine geschrieben?“
    „Ich war noch sehr jung. Da nimmt man die Dinge oft, wie sie kommen. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, so etwas aufzuschreiben. Leider! Ich würde heute bestimmt öfter hineinschauen.“
    Er nickte. „Kann ich mir gut vorstellen. Ich habe von meinen ersten Aufenthalten im Ausland auch nichts aufgeschrieben.“
    „Wie alt warst du, als du das erste Mal allein im Ausland warst?“
    „Sechzehn.“
    „Ganz schön früh.“
    Er zuckte mit den Schultern.
    „Wegen deines Vaters, den ihr nicht wolltet?“
    „Ja. Unser Verhältnis war sehr schlecht.“
    „Hast du heute Kontakt zu ihm?“
    „Ich würde sagen, über mich haben wir genug gesprochen. Meinst du nicht?“
    „Haben wir das?“
    „Das hast du mir doch vorgeworfen. Dass es immer nur um mich und nie um dich gegangen sei.“
    „Wir haben über deine Arbeit gesprochen, aber nicht über dich.“
    „Ist das für dich ein Unterschied? Ich bin meine Arbeit.“
    „Nein, du bist viel mehr. Über deine Familie weiß ich zum Beispiel so gut wie gar nichts.“
    Nach kurzen Zögern sagte er: „Ich habe keinen Kontakt. Es gab eine Zeit, da habe ich versucht, mit meinem Vater ins Reine zu kommen. Ich habe ihm Briefe geschrieben, sehr offene und ehrliche Zeilen. Ich wollte mich mit ihm auseinandersetzen, habe ihm von meinen innersten Gefühlen und Gedanken berichtet, ihm von meinen Träumen erzählt.“
    „Und?“
    „Er hat sie mir korrigiert zurückgeschickt.“
    Angelika runzelte die Stirn. „Was meinst du mit korrigiert?“
    „Er hat Kommafehler angestrichen, Sätze umformuliert und mich auch ansonsten belehrt. Als nette kleine Zugaben hat er an die Seiten Spinner, Phantast, Idiot oder andere Nettigkeiten geschrieben. Natürlich hätte ich ihm nach einer solchen ersten Antwort keine Briefe mehr geschickt. Aber er hat sie ohne mein Wissen gesammelt und sie mir eines Tages per Einschreiben zurückgesandt. Die Kopien, versteht sich, die Originale hat er behalten.“ Angelikas Gesicht verriet Betroffenheit. Er räusperte sich. „Jetzt weißt du, warum ich ungern über meine Vergangenheit rede. Es gibt wenig Positives dort, und ich schaue nicht gerne zurück.“
    Sie wollte etwas erwidern, doch die Türglocke unterbrach sie. Er verließ das Zimmer, um die Wohnungstür zu öffnen. Es waren Herbert und Katja. Sie drückte ihm einen Karton mit sechs Weingläsern in die Hand. „Kannst du bestimmt brauchen.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und drängte sich an ihm vorbei. Herbert musterte ihn prüfend und streckte ihm eine Flasche Wein entgegen.“
    „Darf ich mir deine Wohnung anschauen“, fragte Katja.
    „Klar. Tu dir keinen Zwang an.“ Er ging in die Küche, holte seine beiden Küchenstühle und stellte sie zu den Sesseln. Dann verschwand er wieder, um die Gläser auszupacken und den Wein zu öffnen. Als er wieder ins Wohnzimmer kam, sah er Angelikas nachdenklichen Blick.
    Herbert, der vor seinen Regalen stand, drehte sich zu ihm um. „Du bist ja genau so ein Bücherfresser wie ich.“
    „Na ja, das ist ja wohl nicht zu vergleichen“, antwortete er, während er die Sachen auf den Tisch stellte.
    „Na, ich habe ja auch schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel. Wenn ich das so hochrechne, hast du, wenn du mal so ein alter Knochen bist wie ich, auch die ganzen Wände voller Bücherregale.“
    Harald setzte sich auf einen der Stühle und sagte: „Ihr drei müsstet euch bei den Sesseln abwechseln.“
    „Das kriegen wir schon hin“, sagte Katja quirlig und setzte sich neben ihn auf einen Stuhl. „Der Baum in deinem Schlafzimmer ist schön. Da schläfst du ja sozusagen unter Palmen.“ Sie wandte sich an Angelika. „Du wolltest dir doch auch immer so eine kaufen.“
    „Ich war noch nicht im Schlafzimmer.“
    „Nun, ich habe mir die Wohnung auch noch nicht angesehen, weil ich mich, bibliophil wie ich bin, gleich auf die Bücher gestürzt habe.“

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