verwundet (German Edition)
Hüpfer noch mehr“, mischte sich Herbert ein.
Harald sah ihnen zu und bemerkte die vertraute Atmosphäre. Um sich von seinen düsteren Gedanken abzulenken, sagte er zu Herbert: „Du wolltest mir doch mal deine Bilder zeigen.“
Herbert, der ihm gerade ein Glas Sekt eingoss, stellte die Flasche ab. „Gehen wir.“
Kai sagte: „Da kann ich dann endlich auch mal deine neuen Werke ansehen.“
Herbert zeigte an die Decke. „Nach oben geht’s.“
Sie stiegen eine Treppe höher. Dort befand sich das Dachgeschoss. Herbert schloss die Tür auf, und sie traten ein. Staunend blieb Harald stehen. Der Dachboden war ausgebaut und etwa einhundert Quadratmeter groß, ein lichtdurchfluteter Raum mit riesigen Fenstern. Herbert wandte sich an Harald. „Rechts findest du meine Bilder und auf der linken Seite die Skulpturen.“ Verwundert ging Harald durch das Atelier. Es roch nach Farbe und Terpentin. Er betrachtete die Staffelei, die große Auswahl an Pinseln und Farbtuben und schließlich die Bilder, die entweder aufgehängt oder an einer Wand angelehnt waren. Viele Leinwände waren zusammengerollt und lagen in Regalen. Harald staunte über die Vielfalt der Motive. Es gab Landschaftsbilder, Stillleben, Portraits von erwachsenen Menschen, aber auch von Kindern. „Toll!“ war alles, was er herausbrachte, denn er war überwältigt. Herbert lachte. „Da staunst du wohl? Hättest du dem alten Zausel gar nicht zugetraut.“ Katja lachte. Nur Angelika wirkte merkwürdig unberührt. Na ja, sie kennt ihn eben schon so lange, dachte Harald. Er ging weiter. Er zeigte auf zwei Bilder. „Erinnert mich ein wenig an Kandinsky.“
„Gut erkannt.“
Harald ging weiter und traf auf Aktbilder. Überrascht sah er zu Herbert, der grinste und sagte. „Scheu dich nicht, schau sie dir ruhig an.“
Katja sagte. „Ich finde sie wunderschön.“ Sie holte ein Bild nach dem anderen hervor und betrachtete sie ungeniert, während Angelika und Kai dabei zusahen. Herbert räumte inzwischen etwas hinter ihnen auf. Plötzlich erstarrte Harald. Er schaute genauer hin, aber es war ganz unverwechselbar Angelika, deren nackter Körper zu sehen war.
„Ach, das hier kenne ich noch gar nicht“, sagte Katja zu ihr. Sie ging die Bilder weiter durch. Manche stellten Angelika bereits als sehr junge Frau dar mit dem typischen zierlichen Körperbau von jungen Mädchen. Es folgten verschiedene Bilder von ihr, mal mit langen oder halblangen Haaren. Ab einem bestimmten Alter ändert sich ihr Körper nicht mehr so sehr, aber an den reiferen Gesichtszügen konnte man eine Wandlung erkennen. Das letzte Bild konnte so lange noch nicht her sein, da es bereits die kurzen Haare mit den hellen Strähnen zeigte. Als schließlich keines mehr kam, lehnte Katja sie wieder an die Wand und sagte. „Herbert ist wirklich gut. Man hat das Gefühl, du steigst gleich aus der Leinwand.“
Harald stand immer noch wie zur Salzsäule erstarrt. Dann aber sackte er innerlich zusammen wie ein Luftballon, dem die Luft entweicht. Als er merkte, dass Angelika ihn beobachtete, versuchte er, sich zusammenzureißen. Sein Blick traf auf Kai, der ihn aufmerksam betrachtete. Er wandte sich ab und schlenderte zu Herbert, der sich inzwischen bei den Skulpturen aufhielt. Harald zeigte auf eine Figur und fragte: „Eine Raubmöwe?“
„Richtig. Gut erkannt.“
„Ich hatte auf Island eine Begegnung mit einem Muttertier, das sein Nest in Gefahr sah. Ich musste sie mir mit einem Wanderstock vom Leibe halten.“
„Was wolltest du denn an ihrem Nest?“ fragte Katja, die ihm gefolgt war.
„Gar nichts. Wir waren auf dem Weg zu einem Vogelfelsen, und sie hatte ihr Nest in der Nähe auf dem Boden gebaut. Wir wären vermutlich darüber gestolpert, wenn sie uns nicht angegriffen hätte. Unser Führer hatte es zuerst auch nicht gesehen.“ Er sah sich noch weiter um. Bei zwei Skulpturen vermeinte er, Angelika zu erkennen. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Herbert, der auf die Uhr sah, sagte: „Das Essen ist fertig, Ihr könnt später noch einmal hierher kommen.“
Kai, Herbert und Katja bestritten die Unterhaltung am Tisch, während Angelika sehr still war und Harald beobachtete, der lustlos in seinem Essen herum stocherte. „Schmeckt dir mein Essen nicht?“ wurde er von Herbert aus seinen Gedanken gerissen.
„Es ist alles in Ordnung“, antwortete er mürrisch. „Was ist los mit dir, Junge?“
„Nenn mich gefälligst nicht immer Junge!“ blaffte Harald ihn an.
Herbert runzelte
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