verwundet (German Edition)
traf ihn.
„Entschuldigung, was hatten Sie gefragt?“
„Ich fragte, ob Ihnen die Arbeit hier gefällt.“
„Ja, es ist okay. Ich muss nicht so früh aus den Federn.“
„Und trockener und wärmer ist es auch. Es ist ja nicht jeden Tag so sonnig.“
„Ja.“ Aus Verlegenheit fragte er nach Lisa und beschimpfte sich als einen ausgemachten Volltrottel, als über ihr Gesicht ein Schatten flog. „Sie ist immer noch weg und hat sich bisher auch nicht gemeldet.“
„Entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen nicht die Laune verderben.“
„Ich habe es ohnehin die ganze Zeit im Hinterkopf.“
„Meine Schicht ist in einer Stunde zu Ende. Wollen wir dann noch einen Kaffee trinken gehen? Ich meine, ich würde natürlich auf Sie warten, bis Sie sich alles in Ruhe angesehen haben.“
Als er merkte, wie sie zögerte, stieß er hervor: „Vergessen Sie es. Ich will mich Ihnen nicht aufdrängen. Viel Spaß noch bei der Ausstellung.“
Er ließ sie stehen und verließ seinen Platz, wobei ihm das im Moment völlig egal war. Zum Glück lief ihm sein Kollege im Nachbarsaal über den Weg. Harald knurrte: „Muss unbedingt mal pinkeln. Gibst du ein wenig Acht?“
Dieter nickte. Harald war zornig. „Verdammter Scheißdreck!“ Er stürmte in den Toilettenvorraum und schlug auf den Seifenspender ein. Unversehens hielt er diesen in der Hand. Er sah sich um, ob vielleicht noch jemand auf der Toilette war und seinen Wutanfall mitbekommen hatte. Schließlich stellte er den Spender auf dem Boden unter dem Waschbecken ab und ging pfeifend und betont langsam seiner Wege. Wieder im Ausstellungsraum angekommen, ließ er vorsichtig seinen Blick schweifen, doch Lydia war nicht mehr zu sehen.
Als er nach Dienstschluss das Gebäude verließ, traute er seinen Augen nicht. Lydia kam ihm entgegen, ihr Haar wehte im Wind. Als er schließlich vor ihr stand, fragte sie: „Sind Sie immer so impulsiv ?“
Das Blut stieg ihm zu Kopf. „Ich bin es nicht gewöhnt, betteln zu müssen!“
Sie erwiderte nichts mehr, sondern griff in die Tasche ihres Blazers. Dann gab sie ihm eine Karte. Tierarztpraxis Frankenfeld und Adler . „Frau Frankenfeld ist eine gute Kundin von mir. Ich habe ihr von Ihnen erzählt. Wenn Sie wollen, können Sie sich bei ihr vorstellen. Eine ihrer Helferinnen hört bald auf, weil sie wegzieht.“ Harald starrte sprachlos auf die Karte. „Sie haben...?“ Lydias Stimme war kühl: „Ja, ich habe. Und tun Sie sich selbst einen Gefallen. Gehen Sie an die Dinge nicht immer mit der Brechstange heran. Sie machen sich eher etwas kaputt, als dass Sie etwas gewinnen. Viel Glück!“ Sie drehte sich um und ging.
*
Als Lisa vor Lydias Wohnungstür stand und aufschloss, pochte ihr Herz heftig. Sie hatte Lydias Reaktion in Haralds Wohnung nicht vergessen. Es war etwas in ihrem Verhalten gewesen, das ihr Angst gemacht hatte. Die ganzen zwei Wochen, die sie mit Corey in Hamburg verbracht hatte, war es ihr einigermaßen geglückt, diese Furcht zu unterdrücken. Jetzt gelang ihr dies nicht mehr. Es war Montagabend. Lisa hatte Licht im Wohnzimmer gesehen. Als sie das Zimmer betrat, sah Lydia auf. Sie saß im Nachthemd auf der Couch und las.
Kein Lächeln begrüßte Lisa. Betont forsch sagte sie: „Hallo Lydia.“
„Hallo Lisa.“ Damit wandte sie sich wieder ihrem Buch zu.
„Ich bin wieder da.“
„Ja, ich sehe es.“
Lisa wurde es flau im Magen. Sie hatte mit Vorwürfen und Anklagen gerechnet, nicht aber mit einem solchen Empfang. Sie ging in ihr Zimmer und warf sich auf ihr Bett. In ihrer Brust wurde es eng. Hatte sie es übertrieben oder war Lydia einfach gekränkt, weil sie sie vor Harald hatte bloßstellen wollen? An jenem Abend war alles mies gelaufen. Sie hatte Corey im Quasimodo getroffen. Er hatte am nächsten Tag nach Hamburg zu Freunden fahren wollen und sie mehr im Scherz als im Ernst gefragt, ob sie nicht mitkommen wolle. Er war sehr erstaunt, dass sie das ernsthaft erwogen hatte. Sie hatte sich aber noch nicht entschieden. Corey war dann nach Hause gefahren, während sie sich auf den Weg zu Harald gemacht hatte. Sie war völlig perplex gewesen, Lydia bei Harald vorzufinden. Damit war dann auch ihre Entscheidung zugunsten Coreys ausgefallen. Jetzt fragte sie sich, ob ihr Entschluss klug gewesen war. Was sollte sie jetzt tun? Sie hielt die Unruhe nicht mehr aus und beschloss, wieder zu Lydia zu gehen. Lydia las noch immer. Lisa setzte sich neben sie und fragte: „Was liest du denn?“
Lydia sah nicht hoch und sagte
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