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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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Andere.“
    Lydia hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel. Sie verstand ihn nicht mehr. Warum hatte er diese Maja haben müssen? Sie fühlte sich beschmutzt und ekelte sich bei dem Gedanken, dass er Majas Körper so intim und wenig später sie selbst berührt hatte. Und sie war über sein Geständnis entsetzt gewesen, dass er die gleichen Selbstzerstörungstendenzen wie Lisa hätte. Sie mochte nicht daran denken, wie viel Harald von Lisas Treiben mitbekommen und es ihr nicht erzählt hatte. Vielleicht hätte sie Lisa helfen können, wenn er nicht dort mitgemischt hätte. Diese Maja hatte er dort kennen gelernt. Sie war alles, was Lydia verabscheute, und ausgerechnet mit dieser Frau hatte Harald geschlafen.
    Es waren inzwischen zwei Wochen vergangen, als Harald wieder bei Lydia erschien. Lydia erschrak. Er war unrasiert, seine Augen lagen in dunklen Höhlen, und er roch nach Alkohol. Er setzte sich zu ihr und sagte: „Du hast gesagt, dass du alles von mir wissen willst. Erinnerst du dich? Wenn du es ernst gemeint hast, dann versteh´ ich dein jetziges Verhalten nicht. Ich habe dir doch gesagt, dass es mir leid tut. Warum kannst du mir nicht verzeihen, Lydia?“
    Lydia erwiderte nichts.
    „So rede doch mit mir!“
    Als sie immer noch nichts sagte, fragte er: „Was ist es, was du mir nicht verzeihst? Ist es mein Fehltritt oder dass ich über Lisa mehr wusste, als ich dir erzählt habe?“
    Lydia stand auf und sagte zornig: „Beides. Außerdem komme ich nicht darüber hinweg, dass es ausgerechnet Maja war.“
    „Warum? Du kennst sie doch nicht, hast sie nur einmal gesehen.“
    „Das hat mir gereicht.“
    Harald sprang auf und lief hin und her. „So, du urteilst also über einen Menschen, den du nur einmal für ein paar Minuten gesehen hast.“
    „Man sieht, was sie ist.“
    „So?“ Er blieb direkt vor ihr stehen. „Ich, die ich sie öfter gesehen habe, würde noch nicht einmal sehen, was sie ist.“
    „Wenn dich das interessiert, kannst du ja zu ihr gehen.“ Haralds Gesicht rötete sich: „Es interessiert mich mehr, was sie für dich ist, da es dich ja angeblich nur stört, dass sie es war.“
    „Sie ist ein billiges Flittchen!“
    Haralds brüllte: „Aha! Vielleicht könntest du mal von deinem hohen Ross herunter steigen und dich auf die Erde zu uns Normalsterblichen begeben.“
    Lydia wich zurück. „Was soll denn das heißen?“
    „Was das heißen soll? Du bist so rein, so klug, so ohne Fehl und Tadel. Da kannst du natürlich nur von oben herab über uns urteilen.“
    Zum ersten Mal, seit er sie kannte, erhob Lydia ihre Stimme. „Ich habe nie gesagt, dass ich ohne Fehl und Tadel wäre.“
    „Aber du urteilst so, als ob du es wärst. Du hast sie einmal gesehen. Sie ist nicht kaputter als Lisa und ich es sind. Mit uns hast du dich ja auch abgegeben, bis du entdeckt hast, dass wir Fehler haben. Aber so seid Ihr Spießbürger. Sitzt in euren warmen, gemütlichen Stuben, das Leben meint es gut mit euch, Geld von den Eltern geerbt oder gar Buchhandlungen. Das Leben hat euch nie geschleift, aber von eurer arroganten Warte aus verurteilt Ihr Menschen, mit denen es das Leben nicht so gut gemeint hat.“
    „Es ist besser, wenn du jetzt gehst.“
    „Ich gehe, wenn ich fertig bin, und ich bin noch nicht fertig. Vielleicht hast du es seit deiner Jugend doch versäumt, dein verklemmtes Weltbild abzulegen. Es gibt noch andere Lebensweisen als deine. Sicher gibt es welche, die sind gesünder, und andere, die sind zerstörerischer. Aber das gibt dir nicht das Recht, so über Andere zu urteilen. Ach, und ich hätte es ja beinahe vergessen. Hast Du nicht ebenso herum geschlafen, wie du es Maja jetzt vorwirfst? Und verurteilst du sie vielleicht nur deshalb, weil du in Wahrheit dich selbst verurteilst, weil du dein Spiegelbild in ihr erkennst? Du hast mir ja nicht erzählt, wie viele Geschäftsmänner es waren. Waren es fünf oder zwanzig, fünfunddreißig oder fünfzig?“
    „Verschwinde! Ich hätte mich nie auf dich einlassen sollen“, schrie Lydia.
    Harald ging ins Schlafzimmer und begann seine Sachen zusammenzusuchen. Anschließend ging er wieder ins Wohnzimmer, legte seinen Schlüssel auf den Tisch und verließ wortlos die Wohnung.
    *
    Lydia saß im Wohnzimmer und starrte in die Luft.
    Lisa hatte wie immer getrunken. „Warum verzeihst du Harald nicht?“
    Lydia antwortete nicht.
    „Du redest wohl nicht mit jedem?“
    Keine Antwort.
    „Fehlt er dir nicht zumindest im Bett?“
    Lydia sah sie wütend an:

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