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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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mir doch bitte mehr.“
    Lydia begann, zu erzählen. Frau Dr. Dunkelmann machte sich Notizen und stellte Fragen. Lydia beendete ihre Erklärung an der Stelle, als Lisa nach erneut zu ihr gezogen war. Die Psychiaterin fragte auch nach Lydias Lebensumständen, ob sie verheiratet sei, Hausfrau oder berufstätig. Sie entschuldigte sich dafür, es sei notwendig, weil sie sich ein Bild über das Umfeld von Lisa machen müsse. Dann bedankte sie sich bei Lydia für ihr Verständnis und fragte: „Wie ist Ihr Verhältnis zu Lisa?“
    „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das erklären soll, es ist kompliziert.“
    Frau Dr. Dunkelmann nickte. „Versuchen Sie es. Ich gehe davon aus, dass Sie das Mädchen mögen, sonst hätten Sie Lisa sicher nicht bei sich aufgenommen.“
    „Ich mag sie sehr. Ich habe keine eigenen Kinder, und Lisa war wie eine Tochter für mich.“
    „War?“
    „Ist.“
    „Wie war das Zusammenleben mit Lisa für Sie?“
    „Sie ließ mich nicht an sich heran. Sie war wie ein Igel. Ich habe versucht, ihr viel Wärme und Zuneigung entgegenzubringen, doch sie stellte sofort ihre Stacheln auf. Dann wieder flehte sie mich geradezu an, sie nicht zu verlassen.“
    Während Frau Dr. Dunkelmann schrieb, nickte sie. „Hat sich das irgendwann gegeben?“
    „Nein.“
    „Wie ging es weiter?“
    Lydia schwieg. Es fiel ihr schwer, davon zu sprechen. Frau Dr. Dunkelmann sah sie aufmunternd an: „Frau Kaufmann, alles, was hier besprochen wird, bleibt auch in diesem Zimmer. Ich mache die Notizen für mein Gedächtnis, niemand sonst bekommt sie zu sehen. Es ist wichtig für mich, alles zu wissen, sonst finde ich keinen Ansatz, dem Mädchen zu helfen.“ Lydia gab sich einen Ruck. „Lisa hat mich eines Tages geküsst. Ich dachte erst, es wäre ein Anfall von Zärtlichkeit. Dann aber küsste sie mich wie einen Mann.“ Die Ärztin zog die Augenbraue hoch. „Wie haben Sie reagiert?“
    „Ich habe gar nichts gemacht. Das Ganze hat sich in meiner Buchhandlung abgespielt, und eine Angestellte war hereingekommen.“
    „Haben Sie später mit ihr über den Kuss gesprochen?“ Lydia senkte den Kopf. „Nein.“
    Frau Dr. Dunkelmann fragte nicht weiter, sondern ließ Lydia alles erzählen, bis diese stockte. Sie war bei der Stelle angelangt, als Lisa ihr gesagt hatte, dass sie sich umbringen würde, wenn Lydia sie nicht liebe.
    „Was haben Sie gemacht?“
    Lydia schlug die Hände vors Gesicht. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte.“ Sie begann, zu weinen. Frau Dr. Dunkelmann reichte ihr eine Schachtel mit Kleenex, die vor ihr auf dem Tisch stand.
    Lydia zog ein Tuch heraus und begann zögernd und unter Tränen zu erzählen: „Ich habe mit ihr geschlafen. Ich dachte, wenn ich ihr nachgebe, dann könnte ich ihr helfen. Anders schien sie mir ja nicht zu glauben, dass ich sie liebte. Danach lief sie weg und hat versucht, sich umzubringen.“ Sie flüsterte: „Es ist meine Schuld.“ Frau Dr. Dunkelmann schwieg, bis Lydia sich wieder beruhigt hatte. Dann sagte sie: „Hier hat niemand Schuld. Ich weiß, dass das jetzt sehr schwer für Sie sein wird, aber ich muss genau wissen, was sich da abgespielt hat. Wenn Sie doch anscheinend nicht bisexuell veranlagt sind, wie haben Sie dann auf Lisa reagiert? Haben Sie unbewusst Abscheu gezeigt, vielleicht Ekel?“ Lydia schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine, ich weiß es natürlich nicht. Es war für mich am Anfang schon Überwindung, aber das war nicht Abscheu vor ihrem Körper als solches, sonder nur mein eigenes ambivalentes Gefühl zur Sexualität mit einer Frau.“
    „Was haben Sie also bei den Intimitäten gefühlt beziehungsweise, was glauben Sie, hat Lisa davon mitbekommen?“
    Lydia schluckte und räusperte sich. „Ich konnte mich nicht so darauf einlassen, wie bei einem Mann. Sie war dann eingeschlafen, und ich bin aufgestanden und habe versucht, zu rekapitulieren, was da eigentlich geschehen war, ich war ja selbst sehr aufgewühlt. Sie war geradezu euphorisch, verzückt, fiebrig, wie im Rausch gewesen. Ich hatte das Gefühl, sie wolle mich aussaugen, mich in sich aufnehmen, sie war wie trunken, und das hat mich maßlos erschreckt. Ich bin mir sicher, dass sie das gemerkt hat.“
    Die Ärztin fragte mitfühlend: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“
    „Ich habe das Gefühl, versagt zu haben, und schuld an Lisas Selbstmordversuch zu sein. Schon bei ihrer Mutter war es genau das Gleiche.“
    Frau Dr. Dunkelmann runzelte die Stirn. „Wie darf ich das verstehen?“
    „Mara,

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