Verzaubert!
gerufen wurde. Um ganz ehrlich zu sein, war das noch niemals zuvor passiert.
“Sag mir, Liebes, was macht dich so traurig?”
Cinderella dachte einen Moment nach. Wie konnte sie das erklären? Eigentlich gab es dafür keinen triftigen Grund. Dann erinnerte sie sich an die gläsernen Pantoffeln. Auf alle Fälle waren sie eine der Ursachen für ihr Unglück, und wenigstens konnte sie das klar benennen.
“Die gläsernen Pantoffeln, die du mir gegeben hast, machen mich ziemlich unglücklich”, jammerte sie.
Die Fee holte tief Luft. “Aber wieso denn, meine Liebe?”, rief sie erschrocken aus. “Ich dachte, sie passen dir perfekt.”
“Das stimmt ja, aber sie engen mich ein!”, antwortete Cinderella.
Die gute Fee war einen Augenblick sprachlos. Was konnte sie darauf erwidern? Konnte jemand ernsthaft denken, dass gläserne Pantoffeln, ein Königreich oder irgendeine andere märchenhafte Sehnsucht nicht einschränken würde?
“Es kommt mir fast so vor, als ob ich in diesen Schuhen nicht ich selbst sein kann”, fügte Cinderella hinzu. “Ich weiß gar nicht mehr, wer ich bin.”
“Ah”, sagte die Fee. Sie verstand zwar den Zusammenhang zwischen Cinderellas Beschwerde und den gläsernen Pantoffeln nicht, aber mit der Suche nach der eigenen Identität kannte sie sich sehr gut aus. Welche gute Fee kannte sich damit heutzutage nicht aus, bei all den Fröschen, die sich für Prinzen hielten, und Wölfen, die sich als Großmütter ausgaben?
“Ich weiß, was dir helfen wird”, verkündete die Fee. Cinderella brauchte Zauberpantoffeln, die Selbsterkenntnis und Sehnsüchte förderten und darüber hinaus überaus bequem waren. Mit etwas Glück würde sie dann bald geheilt sein von ihren Leiden. “Aber ich muss dich warnen! Selbsterkenntnis ist ein einsamer Weg. Entferne dich niemals von den Menschen, die dir nahestehen.”
Cinderella nickte ungeduldig. Die Bedenken der guten Fee waren zu doppeldeutig, und sie machte sich darüber keine Gedanken. Außerdem war sie so frustriert, dass ihr jede Veränderung recht war, ganz egal welche Konsequenzen das für sie haben würde.
Ohne weitere Erklärungen holte die gute Fee ihren Zauberstab hervor und berührte damit leicht Cinderellas Füße, einen nach dem anderen. Fasziniert beobachteten sie, wie sich die gläsernen Pantoffeln in nichts auflösten und fast gleichzeitig durch das weichste Material ersetzt wurden, das man sich vorstellen kann. Die neuen Schuhe im, das sei nebenbei bemerkt, zartesten Pink aller Zeiten, schmiegten sich wie eine zweite Haut an Cinderellas Füße und umhüllten sie von den Zehenspitzen über den Spann bis zu den Knöcheln. Cinderellas Augen weiteten sich vor Erstaunen. Bewundernd streckte sie ihre Füße und drehte sie in die eine und in die andere Richtung. So etwas Ausgefallenes hatte sie noch niemals zuvor in ihrem Leben gesehen.
Von den Glaspantoffeln waren ihre Füße fast abgestorben, aber langsam begann sich ein sanftes Kribbeln in ihnen auszubreiten. Zustimmend wackelte sie mit den Zehen, und dieses köstliche Gefühl von Freiheit berührte sie zutiefst. Sie schrie vor Entzücken auf. Cinderella fühlte sich so anmutig wie eine Gazelle. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, breitete die Arme weit aus und drehte eine Pirouette. Die gute Fee beobachtete sie lächelnd.
Am Abend kehrte der Prinz in sein Schloss zurück und rief nach seiner Frau. Wieder und wieder rief er nach ihr, nur um jedes Mal erneut festzustellen, dass sie ihm wieder und wieder nicht antwortete. Das irritierte ihn doch sehr! Vor allem da das noch nie zuvor passiert war und überall in seinem Königreich Gefahren lauerten.
Riesen, Hexen und noch Schlimmeres lebten in den angrenzenden Wäldern und warteten nur auf eine Gelegenheit, in sein Königreich einzudringen und Unfrieden zu stiften. Als er das ganze Schloss vergeblich nach seiner Frau abgesucht hatte, wurde er immer besorgter. Cinderella war doch nichts Schlimmes zugestoßen?
Als er ganz sicher war, dass sie nicht im Schloss war, sattelte der König sein Ross und ritt davon, um sie zu suchen. Er umkreiste den Palast und durchstreifte dann in immer größeren Abschnitten das ganze Königreich. Der Prinz hielt an jeder Behausung an und fragte nach, ob jemand Cinderella gesehen habe. Die Suche dauerte viele Stunden, bis der Prinz an einer Taverne ankam, aus der lebhafte Musik erklang. Frustriert und erschöpft stieg er von seinem Pferd ab, und da er nichts unversucht lassen wollte, trat er ein.
Dem Prinz
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