Verzaubert in Florenz
beobachtete mit zufriedenem Lächeln, wie Alessa ihr Frühstück verschlang. “Freut mich, dass es dir so schmeckt, mein Liebling.”
Er selbst aß viel zu wenig, wie Georgia beunruhigt feststellte. Zwar war sie ebenfalls nicht sehr hungrig, doch das würde sich schnell wieder ändern. Eine Auseinandersetzung mit Luca Valori würde ihr bestimmt nicht auf längere Zeit den Appetit rauben. Marco Sardi hingegen aß offenbar seit Tagen fast nichts. Er wurde zusehends schlanker und hatte eine beängstigend graue Gesichtsfarbe. Da Georgia ihn schwerlich nach seinem Wohlbefinden fragen konnte, erkundigte sie sich, ob er das kommende Wochenende daheim verbringen werde.
“Ja, auf jeden Fall”, betonte er nachdrücklich. “Sie sind schon fast zwei Wochen hier und hatten noch keinen freien Tag. Morgen werden Alessa und ich meine Schwester und deren Familie besuchen. Wollen Sie mitkommen? Oder würden Sie lieber bis Lucca mitfahren und sich allein die Stadt anschauen?”
“Kann ich von hier mit dem Zug oder Bus nach Florenz fahren?”, wollte Georgia wissen.
“Haben Sie einen Führerschein?”
“Ja.”
Marco lächelte. “Dann können Sie den Wagen nehmen, mit dem Franco und Elsa zum Einkaufen fahren.”
Alessa wollte daraufhin Georgia nach Florenz begleiten und konnte von dem Wunsch nur mit dem Versprechen abgebracht werden, dass die Unterrichtsstunde diesmal in dem kleinen Sommerhäuschen stattfinden würde. Es war heißer als an den vorangegangenen Tagen und wurde zunehmend schwüler, sodass Georgia den Unterricht verkürzte und stattdessen mit Alessa einige Schwimmübungen machte.
Erstmals, seit sie hier war, sehnte Georgia den Abend herbei und freute sich über Marco Sardis frühe Rückkehr fast ebenso wie seine Tochter, die sie dankbar seiner Obhut überließ. Georgia nahm ein Bad und überlegte, während sie sich in dem lauwarmen Wasser zu entspannen versuchte, ob sie Kopfschmerzen vorschützen sollte, um eine Begegnung mit Luca beim Dinner zu vermeiden. Sie schalt sich einen Feigling und beschloss, am Abendessen teilzunehmen und sich so zu verhalten, als wäre nichts geschehen. Was war denn schon passiert? Bei jedem anderen Mann hätte sie wegen eines Kusses kein solches Aufheben gemacht. Aber die Küsse anderer Männer hatten sie auch noch nie derart aus dem Gleichgewicht gebracht wie der von Luca Valori. Allein bei dem Gedanken daran errötete sie. Nur gut, dass Tom im richtigen Moment angerufen hatte.
Wie sich herausstellte, hatte sich Georgia umsonst Gedanken gemacht, wie sie sich beim Dinner Luca gegenüber verhalten sollte. Er glänzte nämlich durch Abwesenheit. Sie ärgerte sich, weil sie darüber enttäuscht war, und bemühte sich, Marco eine gute Gesprächspartnerin zu sein.
Natürlich hätte sie sich lieber die Zunge abgebissen, als sich bei Marco nach dem Verbleib seines Schwagers zu erkundigen. Marco teilte ihr jedoch mit, Luca würde bei einem alten Freund essen, und Georgia fragte sich, ob es sich dabei nicht eher um eine alte Freundin handelte. Sie war geradezu erleichtert, als sie beim Kaffee ein entferntes Donnern hörte. Wenig später ging ein heftiges Gewitter nieder. Grelle Blitze, gefolgt von lautem Donnern, erleuchteten den Wintergarten und boten fast ein ebenso grandioses Schauspiel wie ein Feuerwerk.
Georgia erfuhr, dass Alessa keine Angst vor Gewittern hatte, und beschloss, sich frühzeitig auf ihr Zimmer zurückzuziehen. Schon deshalb, weil Marco Sardi zu höflich war, um als Erster vom Tisch aufzustehen. Sie las die Erleichterung in seinen müden Augen, als sie ihm eine gute Nacht wünschte und ihren frühen Aufbruch damit begründete, gerade ein sehr spannendes Buch zu lesen.
In ihrem Zimmer angelangt, peinigte der Gedanke sie, was Luca jetzt wohl machte. Sie hatte Angst, dass er bei diesem Wetter mit seinem Supremo unterwegs war, aber die Vorstellung, er würde dort, wo er war, übernachten, sagte ihr ebenso wenig zu. Schließlich machte sie sich fertig, um ins Bett zu gehen. Der immer noch tobende Sturm und der gegen das Fenster peitschende Regen zerrten an ihren Nerven. Zwar lebte sie lange genug in Italien, um an derartige Unwetter gewöhnt zu sein, aber heute wütete es besonders schlimm.
Sie hörte Marco Sardi nebenan in das Zimmer seiner Tochter gehen, was er jeden Abend vor dem Zubettgehen tat. Dann vernahm sie zwischen zwei Donnerschlägen seine sich entfernenden Schritte. Von ihrem Bett aus beobachtete sie durch das Fenster die zickzackförmigen Blitze und die
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