Verzaubert
fort.
»Verständlich«, sagte ich.
»Er war nicht gerade geneigt, mich an seinen Gedanken teilhaben zu lassen. Und da ich ihn, zugegebenermaßen, nicht sonderlich mochte, habe ich es auch schnell aufgegeben, ihn danach zu fragen. Und die Konsequenz …« Max seufzte. »Obwohl ich seit acht Monaten sein Mentor bin, weiß ich so gut wie nichts über ihn. Ich habe keine Ahnung, was in ihm vorgeht, und von daher auch nicht die leiseste Vorstellung, weshalb er Menschen verschwinden lässt oder was er damit erreichen will. Er ist mir derart fremd, dass ich seinen Verrat nicht einmal bedaure oder mich hintergangen fühle, wie es für einen Mentor in dieser Situation angemessen wäre.«
»Ich mochte ihn auch nicht«, sagte ich tröstend.
»Aber da wir jetzt wissen, dass er ein Handlanger des Bösen ist –«
»Wir
nehmen an,
dass er es sein
könnte
«, korrigierte Lysander.
»… wäre es uns eine große Hilfe, wenn ich versucht hätte, den Jungen besser zu verstehen.«
»Das ist Schnee von gestern«, sagte ich – es war mir unmöglich, jemandem übelzunehmen, dass er sich nicht mit Hieronymus angefreundet hatte.
»Aber eines steht fest.«
»Und das wäre?«, fragte ich.
»Der Bursche verfügt über mehr Macht und Fähigkeiten, als er mich glauben lassen wollte.«
»Aha.«
»Wenn er die Opfer tatsächlich transloziert«, fuhr Max nachdenklich fort, »dann frage ich mich, welche Methode er für die Übertragung benutzt.«
»Vermutlich«, begann Lysander, »wandelt er die Materie in Partikel und Wellen um, so dass sie jene Löcher, die ich bereits beschrieben habe, durchqueren kann oder –«
»Diese Theorie können wir mit Sicherheit ausschließen«, widersprach ich. »Es war
seine
Idee, erinnern Sie sich?«
»Das heißt nicht, dass sie deshalb automatisch falsch ist …«
»Doch, heißt es«, beharrte ich. »Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass er so dumm war, uns zu verraten, wie er vorgeht? Je weniger wir wissen, desto besser ist es für ihn. Dieses konfuse Zeug über Wellen und Partikel, die in andere Dimensionen übertragen werden, sollte uns nur ablenken. Genauso wie er mich in die Irre geführt hat, als er daran festhielt, dass Normalsterbliche für alles verantwortlich seien. Seine ›Theorie‹ brachte uns immerhin dazu, letzte Nacht in Magnus’ Geschäft einzubrechen.«
»Oh.« Lysander hätte es nicht zugegeben, aber ich konnte ihm ansehen, dass er mein Argument nachvollziehbar fand.
»Irreführung«, sagte Goudini. »Eine klassische Methode. Aus dem Jungen hätte bei entsprechender Kinderstube ein halbwegs anständiger Magier werden können.«
»Seine bedauernswerten Eltern sollten wir da lieber heraushalten«, sagte Max traurig.
»Aber Goudini hat auf etwas Wichtiges hingewiesen!«, rief ich. Ich war wieder einmal geneigt, mir vor die Stirn zu schlagen.
»Habe ich das?«
»Soweit ich weiß, geht sein Sprechfehler doch darauf zurück, dass irgendein Dschinn die schwangere Mrs. Blankenberg verhexte, oder?«
»Ja«, bestätigte Lysander. »Wir sollten Hieronymus also eher bedauern, als ihn beschuldigen.«
»Leute, Leute …« Ich schüttelte den Kopf. »Ist es im Collegium denn niemals jemandem in den Sinn gekommen, dass der Fluch des Dschinns ein bisschen mehr beinhaltete, als dem Jungen einen Sprechfehler aufzuhalsen?«
»Sie meinen …«
»Ich meine, dass er schon vor seiner Geburt zu einem Werkzeug des Bösen wurde«, sagte ich. »Indem er von einem teuflischen Dschinn verflucht wurde, wurde er selbst teuflisch!«
»Du liebe Güte«, stöhnte Max. »Damit könnte sie recht haben.«
Da Lysander schwieg, nahm ich an, dass auch er mir zustimmte, sich aber eher die Zunge abgebissen hätte, als es zuzugeben.
»Und ihr habt ihn in die Geheimnisse des Kosmos eingeweiht!«, rief ich verärgert. »Gut gemacht, Jungs!«
Lysander räusperte sich. »Ob er von Geburt an ein Werkzeug des Bösen war – falls er es überhaupt ist –, ist reine Spekulation. Dass er jedoch, seitdem er auf der Welt ist, über besondere Kräfte verfügt, nicht. Ein Individuum mit seinen Fähigkeiten hätte sich die Geheimnisse des Kosmos mit oder ohne Lehrer angeeignet.«
»Das stimmt«, sagte Max.
»Das Collegium kann weder Macht verleihen noch fortnehmen. Es kann lediglich dazu anleiten, seine Fähigkeiten weise einzusetzen.«
»Hat bei diesem Burschen wohl nicht geklappt, wie?«, erwiderte ich bissig.
»Esther.« Delilah nagte an ihrer Unterlippe, während sie ihr Handy anstarrte. »Duke
Weitere Kostenlose Bücher