Verzaubert
hören konnten. Tische und Stühle sahen aus, wie wild zusammengewürfelt, als hätte jemand Kirchenkeller und Vorstadtgaragen geplündert, um diesen Club einzurichten. Die düsteren Wände waren mit einigen – wenn man es wohlwollend ausdrücken möchte –
typischen
Zaubererutensilien dekoriert. Statt einer Bar war in einer Ecke ein Klapptisch mit Kühlboxen aufgestellt, in denen sich vermutlich die Getränke befanden. Es waren höchstens zwei Dutzend Zuschauer anwesend, die aus Plastikbechern tranken.
Das also war Barclays große Chance? Mit einem Mal war ich nicht mehr so deprimiert, was meine Karriere anging.
»Stopp!«, wiederholte Duke, als sein Blick auf die Bühne fiel.
Barclay drehte gerade eine große, mit Spiegeln versehene Kiste um die eigene Achse, während sich die Musik zu einem wilden Crescendo steigerte. Doch gerade als Duke schreiend auf Barclay zulief, schrak dieser plötzlich zusammen und stolperte rückwärts. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Nein!«, schrie Barclay.
»Nein!«, schrie auch Duke.
»Nicht schon wieder«, sagte ich.
Lysander japste und torkelte zur Seite, so stark spürte er die atmosphärische Störung. Hinter mir hörte ich ein Poltern und Krachen, gefolgt von einem Aufschrei. Ich wirbelte herum. Die Wirkung auf Max musste noch größer gewesen sein, denn er war auf einen der Tische gestürzt. Jetzt lag er neben zwei Gästen samt ihren Getränken, den Stühlen, dem Tisch und der Kerze auf dem Boden
Ich kniete mich neben ihn. »Max. Max!« Er war bewusstlos.
»Mein Gott, sie ist weg!«, schrie Barclay. »Dixie!
Nein!
«
Ich blickte zur Bühne und sah, wie Barclay die Requisitenkiste öffnete und panisch das Mädchen aus Texas suchte. Duke lief nach vorn und rief verzweifelt Dixies Namen.
»Maximillian.« Lysander schüttelte den alten Zauberer. »Reiß dich zusammen, Mann!«
Während er Max einen Becher Wasser ins Gesicht schüttete, lief ich zur Bühne, wo Duke gerade versuchte, in das Geheimfach der Requisitenkiste zu steigen.
»Was machen Sie da?«, rief Barclay.
»Schick mich hinterher!«, schrie Duke. »Ich werde sie zurückholen!«
Duke war ein großer, kräftiger Mann, das enge Fach jedoch war für eine zierliche Frau gebaut. Vom Prinzip her funktionierte die Requisite genauso wie die Glaskiste, in der ich als Virtue geprobt hatte. Duke passte da niemals hinein –
ich
allerdings schon.
Ich half einem halb durchgedrehten Barclay, Duke von der Kiste wegzuziehen. Dann kletterte ich selbst hinein.
»Esther? Was soll das?«
»Lass mich verschwinden!«
»Nein! Niemals«, weigerte sich Barclay. »Wer weiß, was dann passiert!«
Ich packte ihn am Kragen. »Ich werde sie zurückholen! Ich werde sie
alle
zurückholen. Glaub ja nicht, dass ich vor diesem rattengesichtigen Würstchen von Hieronymus Schiss hätte!«
»Wie bitte?«
»Falls er am Ende dieser Reise auf mich wartet, werde ich ihm seinen dürren Hals umdrehen, bis er blau anläuft und ihm die Augen aus dem Kopf quellen! Und jetzt schick mich zu ihm, damit ich dieser Sache Einhalt gebieten kann!«, schrie ich Barclay ins Gesicht.
»Aber …«
»Duke«, sagte ich, »hilf Barclay!«
»Aber …«
»Nun mach schon!« Dann schloss ich die Tür der Kiste.
Um mich herum war es stockfinster, und ich wurde von allen Seiten eingequetscht. Dieses Teil war kein bisschen bequemer als die Glaskiste. Gott, wie ich Zaubertricks hasse!
Ich betete, dass es funktionierte, dass das Vehikel quasi noch in Betrieb war. Immerhin versuchte ich Dixie nur Augenblicke nach ihrem Verschwinden zu folgen. Ein derart starker Zauber ließ sich doch bestimmt nicht an- und abstellen wie ein Wasserhahn. Ganz sicher konnte ich die Welle noch erwischen und dahin gelangen, wohin das Mädchen verschwunden war. Ich bezweifelte zwar, dass sich Barclays Konzentration gerade in Topform befand, dafür übertraf sich sein Energieniveau vermutlich selbst. Und die Macht des Sympathiezaubers war momentan wahrscheinlich größer als je zuvor – denn nie war ein Magier überzeugter gewesen von seiner Fähigkeit, jemanden verschwinden lassen zu können, als Barclay in diesem Augenblick.
Die Kiste begann sich im Kreis zu drehen. Das war Bestandteil des Tricks. Barclay versuchte es also – vermutlich krank vor Angst und Schuldgefühlen, aber er versuchte es.
»Komm schon«, flüsterte ich. »Komm und hol mich, Phil. Schnapp dir jemanden, der zur Abwechslung mal deine Tricks kennt. Komm –«
Der Boden unter mir gab
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