Verzaubert
ich war mir sicher, dass Lopez ihn bald aufspüren würde, also versuchte ich, Max so gut es ging vorzubereiten. Da Lopez vermutlich jede Lüge aufdecken würde, die der alte Zauberer von sich gab, hatte ich beschlossen, nichts zu erfinden – sondern schlicht die Tatsache wegzulassen, dass wir in jener Nacht zum Theater zurückgingen und die fraglichen Verbrechen verübten. Ich hätte zwar lieber verschwiegen, dass wir im Waldorf oder im Pony Expressive gewesen waren, aber ich fürchtete, Max würde sich dann in diesem Lügengeflecht verheddern. Je näher wir an der Wahrheit blieben, desto leichter würde es uns fallen, nichts durcheinanderzubringen.
Kurz nach zwölf trudelte der Rest der Truppe ein, und etwa eine Stunde später setzten wir uns zusammen, um unsere Ergebnisse im »Projekt Bücherwurm« – wie Whoopsy es nannte – abzugleichen.
»Die gute Nachricht, meine Freunde«, ließ Max verlauten, »ist die, dass letzte Nacht vermutlich niemand verschwunden ist!«
Alle anderen jubelten, doch ich verdarb die Stimmung, indem ich fragte: »Können Sie das ausschließen?«
»Äh, nein. Die atmosphärische Störung allerdings, die die vorherigen Fälle ankündigte und mir mittlerweile bekannt ist, war seit dem Verschwinden von Herrn Samson nicht mehr spürbar.«
»Hat jemand eine Vermutung, woran das liegt?«, fragte ich.
»Vielleicht bedeutet es, dass sich niemand mehr in Luft auflösen wird«, schlug Satsy hoffnungsvoll vor.
Ich war nicht so optimistisch. »Zwischen dem Verschwinden von Clarisse und dem von Dolly ist auch einige Tage lang nichts passiert.«
»Das stimmt«, bemerkte Max. »Es könnte lediglich eine erneute Unterbrechung sein.«
»Wo steckt Seine Königliche Hoheit, Hieronymus, Prinz des Kellers? Ist er zu sehr damit beschäftigt, etwas in die Luft zu jagen, um an unserem Treffen teilzunehmen?«, fragte ich bissig.
»Er ist heute Morgen bereits früh fortgegangen«, erklärte Max. »Er glaubt, eine Spur zu haben.«
»Was für eine Spur?«
»Das sagte er nicht.«
Leider waren Max’ übrige Neuigkeiten nicht gerade erbaulich: Obwohl er mit allen Magiern gesprochen und alle Requisitenkisten untersucht hatte, hatte er keinen gemeinsamen Nenner finden können.
»Dann müssen wir noch einmal mit allen sprechen«, sagte ich. »Wir müssen tiefer ins Detail gehen, als wir es bisher getan haben. Wir sollten alle vier Magier an einen Tisch bringen!«
»Barclay, Miss Delilah und ich sind sofort dazu bereit«, versicherte Duke mit freundlichem Kopfnicken in Richtung der dunkelhäutigen Dragqueen. »Sie« trug ein enges rotes Kleid und große Ohrringe. Ihr Make-up war makellos, wenn auch die Augen leicht gerötet waren. »Aber wie bekommen wir Herlihy dazu, an dem Gespräch teilzunehmen, geschweige denn herzukommen?«
Nach einem kurzen Schweigen sahen mich alle an. »Ich weiß es nicht!«, sagte ich gereizt.
»Du kennst ihn besser als jeder andere hier«, bemerkte Satsy.
»Aber ich kenne ihn nicht gut, und ich mag ihn nicht.« Ich war schon den ganzen Vormittag über angespannt.
»Und wenn ich ihn frage?«, schlug Delilah vor.
Ich überlegte. Mir widerstrebte der Gedanke, dass eine Dragqueen eher dazu in der Lage sein sollte, einen Hetero-Mann zu überzeugen als ich. Aber ich musste zugeben, dass Delilah von uns allen Joe am ehesten beeinflussen konnte. Einer heißblütigen Schönheit mit Tränen in den Augen können Männer nur selten widerstehen – vor allem, wenn sie noch nicht bemerkt haben, dass sich der Rock der »Dame« ungewöhnlich ausbeult. Mein diesbezügliches Gespräch mit Max stand noch aus, allein der Gedanke daran ließ meine Laune weiter sinken.
»Nun?«, fragte Delilah sanft drängend.
Ich schüttelte den Kopf. »Wie willst du an seiner Frau vorbeikommen? Sie lässt keine Fremden in die Wohnung, schon gar nicht für ein Gespräch mit ihm.«
»Dann müssen wir einen Weg finden, die beiden zu trennen«, schlug Duke vor.
»Wir schnappen ihn uns einfach!«, rief Barclay. »Oder sie!«
»Gute Idee!«, stimmte Whoopsy begeistert zu.
»Ich werde euch helfen«, erklärte sich Khyber sofort bereit.
»Hey! Einen Augenblick mal.« Ich bremste die Euphorie der anderen. »Lasst uns überlegen, ob uns nicht ein weniger krimineller Weg einfällt, Joe zu einem Interview zu überreden. Es ist nicht nötig, dass wir am Ende alle von der Polizei gesucht werden.«
»Apropos Interview …«, sagte Whoopsy. Er hielt
The Exposé
hoch, eine Boulevardzeitung, deren Beiträge die
Weitere Kostenlose Bücher