Verzaubert
Zauberkünstler, der sich von der Bühne zurückgezogen hat?«
»Ja!«
»Trotzdem sind sie ausgeklügelt, wie Sie selbst gesagt haben, Max.« Ich rieb mir den schmerzenden Kopf. »Was von dem, das er hier tut oder aufbewahrt, ist derart geheim, dass er sich so große Mühe gibt, es zu schützen?«
Das Schreien oben wurde lauter. Dann hörten wir Lysanders Stimme. »Max! Hilfe!
Hilfe!
«
»Wir werden es in Kürze wissen!«, antwortete Max und stürmte erneut die Treppe hinauf.
Barclay und ich liefen ihm nach. Am Treppenabsatz angekommen, vernahmen wir Lysanders Kreischen, gefolgt von einem dumpfen Poltern und dem Geschrei etlicher Leute. Als wir im dritten Stock ankamen, präsentierte sich uns eine verwirrende Szene: Lysander lag besinnungslos auf dem Boden. Acht Personen drängten sich um ihn, von denen eine die Schlangendame war – mit dem riesigen Tier um ihren Körper sah sie genauso aus wie bei unserer ersten Begegnung. Sie und fünf andere waren asiatischer Herkunft, die beiden übrigen, ein Mann und eine Frau, schienen aus dem Mittleren Osten zu stammen. Eine der Asiatinnen stand über Lysander gebeugt mit etwas, das aussah wie ein langer, dicker Bambusstab. Offenbar hatte sie den Magier damit niedergeschlagen. Jetzt debattierte sie mit einem Mann, der neben Lysander kniete und dessen Kopfverletzung untersuchte. Ich war nicht sicher, um welche Sprache es sich handelte, jedenfalls war es kein Englisch. Als uns die Frau erblickte, ließ sie den Bambusstab fallen und riss die Arme hoch. Ängstlich und hektisch redete sie auf uns ein. Die anderen Leute hoben ebenfalls die Hände, anscheinend hielten sie das für eine kluge Haltung angesichts der merkwürdigen Umstände.
»Offenbar ergeben sie sich«, sagte Barclay.
»Sie glauben, dass wir von der Einwanderungsbehörde sind«, sagte Max.
Ich sah ihn an. »Woher wissen Sie das?«
Meine Frage wurde dadurch beantwortet, dass er begann, sich mit den sechs Asiaten in ihrer Sprache zu unterhalten. Später erklärte er mir, dass es sich um einen chinesischen Dialekt gehandelt habe. Die beiden anderen Leute sprachen Persisch, das Max nicht vertraut war, was ihn aber nicht daran hinderte, sich auf Arabisch mit ihnen zu verständigen.
»Ich hatte immer vor, eine Fremdsprache zu lernen«, sagte Barclay wehmütig.
Nachdem Max ein paar Minuten mit der Gruppe gesprochen hatte, wandte er sich an Barclay und mich. »Ich fürchte, unsere Aktion beruht auf einem Irrtum. Diese Leute sind weder Magnus’ Opfer noch seine Komplizen – sie sind Künstler, Artisten und Illusionisten, die in ihren Heimatländern verfolgt werden. Magnus nutzt sein weltweites Handelsunternehmen, das Lieferungen aus vielen verschiedenen Ländern erhält, als Deckmantel, um diese Menschen in die USA zu schleusen.«
»Er schmuggelt
Zauberkünstler
ins Land?«, fragte ich erstaunt.
»Verfolgte Zauberkünstler«, korrigierte Max. »Aus Staaten, in denen sie ihren Beruf nicht ausüben dürfen. Sobald sie in den USA angekommen sind, bringt er sie hier im Geschäft unter, bis er in irgendeiner Show einen Platz für sie gefunden hat. Vermutlich mit gefälschten Einwanderungspapieren.«
»Er schleust Zauberkünstler ein?«, sagte ich noch einmal.
Die Lady mit dem Bambusstab bemerkte offenbar meine Ungläubigkeit und nahm den Stock wieder in die Hand.
Ich wich einen Schritt zurück und rief: »Nein, warten Sie!« Sie riss überrascht die Augen auf, redete hektisch auf mich ein und signalisierte mir mit Gesten, dass ich keine Angst zu haben brauchte. Dann stellte sie den Stab aufrecht hin und kletterte geschickt daran hoch. Als sie fast zwei Meter über dem Boden war, ließ sie sich kopfüber fallen, machte einen Salto und landete wieder auf den Holzdielen, während sie den Stab gegen ihren Rücken presste. Sie sagte etwas und gab Max zu verstehen, dass er es übersetzen solle.
»Laut ihren Ausführungen kann sie den Stab auch verschwinden lassen«, erklärte Max und fügte dann hinzu: »Allerdings ist es ihr nicht möglich, das Kunststück hier vorzuführen, weil ihr dafür die entsprechenden Requisiten und der Platz fehlen.«
»Apropos Verschwinden …«, sagte ich. »Wir können trotz allem nicht davon ausgehen, dass Magnus unschuldig ist. Wir wissen, dass er zu mindestens zwei der benutzten Kisten Zugang hatte.«
»Ja, wir müssen mit ihm reden.«
Plötzlich riss Barclay die Augen auf. Von unten war Gebrüll zu hören und jemand kam geräuschvoll die Treppe hinaufgeeilt. »Ich glaube, dazu
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