Verzauberte Herzen
Ich hab nur gerade ein bisschen ...
herumgetollt.«
Tupper riss
seine Blicke mit Mühe von den weichen Rundungen ihrer Brüste los. Er tat sich
mit dem Sprechen schwer. »Zu meiner Zeit hab ich auch gerne getollt. Als ich
einmal zu tief ins Glas geschaut habe, bin ich vom Pferd gefallen und
geradewegs auf den Schoß einer Dame geplumpst, die in ihrem Phaeton ausfuhr.«
»Und,
konntet Ihr bei der Dame landen?«
Tupper
sonnte sich eine volle Minute lang im warmen funkelnden Braun ihrer Augen, bis
ihm auffiel, dass diese Hochlandrose mit ihm flirtete. Mit ihm! Theodore
Tuppingham, dem tölpelhaften Sohn eines kleinen Viscounts.
»Sie hat
vor Entzücken nach einem Wachtmeister geschrien und mir ihren Sonnenschirm über
den Kopf gezogen.«
Seine
Antwort nötigte ihr ein verschmitztes Lächeln ab. Sie musterte ihn, in seinem
schwarzen Seidenhemd, das einen spitzenbesetzten Kragen und Puffärmel hatte.
Er trug hautenge Kniehosen und schimmernde Schaftstiefel, die abscheulich an
den Zehen drückten, ihm aber zusammen mit dem Umhang eine Aura der Eleganz
verliehen.
Ihr Lächeln
erlahmte, als sie bei seinem Gesicht angekommen war. Mit weit aufgerissenen
Augen wich sie vor ihm zurück. »Ich weiß, wer Ihr seid. Ihr seid der Drache!«
Der
ehrfürchtige Glanz in ihren Augen hielt Tupper davon ab, dies zu verneinen.
Noch nie zuvor hatte eine Frau ihn so angesehen.
Ohne sich
zu besinnen, zog er den Bauch ein und warf sich in die Brust. »Tja, Mädchen,
der bin ich.«
Es hätte
ihn nicht überrascht, wenn sie kreischend auf die Weide geflohen wäre, oder
sich angewidert abgewendet hätte, weil der Drache nur ein dicklicher Engländer
mit spärlichem Haar war. Aber stattdessen warf sie sich in seine Arme und
bearbeitete seine Brust mit ihren kleinen Fäusten. »Ihr! Ihr seid der
erbärmliche Rohling, der meine Schwester aufgefressen hat!«
Als eine
ihrer Fäuste seine neuerdings schlanke Magengegend traf, entleerte sich seine
aufgeplusterte Brust mit einem gewaltigen Puff. Verzweifelt versuchte
er, sie zum Schweigen zu bringen, bevor sie das ganze Dorf aufweckte. Er zog
sie an sich und hielt ihr den Mund zu.
»Ich hab
deine Schwester nicht aufgefressen«, zischte er in ihr Ohr. »Ich kann beweisen,
dass sie lebt. Sie hat mir von dir erzählt. Du musst Catriona sein, die
Jüngste. Aber dein Rufname ist, äh – Katie? Cat?« Während er hektisch sein Gedächtnis
nach ihrem Rufnamen durchforstete, biss sie ihn herzhaft mit ihren scharfen
kleinen Zähnen in die Hand, die er daraufhin wegriss.
»Kitty!«,
spie sie ihm entgegen und wand sich wie ein wütender Tiger. Sie hatte gar
nichts mehr von dem Kätzchen-haften, das ihr Name verhieß.
»Kitty! Ja,
natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen! Du bist Kitty und deine Schwestern
sind Glenda und –«, er schnippte mit den Fingern, »Nellie! Ihr lebt mit eurem
Vater auf dem Herrenhaus im Dorf. Er hat beim Whist immer ein paar Karten zu
wenig.«
Kitty hörte
auf zu strampeln, aber sie starrte ihn immer noch wütend an. »Sie heißen
Glynnis und Nessa. Und Papa macht sich nichts aus Whist. Er spielt nur Pharao.
Er schummelt miserabel, aber Gwennie sagt, wir müssen ihn gewinnen lassen,
damit er etwas zu lachen hat.« Sie klebte an seiner gerüschten Hemdbrust. Ihre
Augen trübten sich, als sie die volle Bedeutung seiner Worte erfasst hatte.
»Gwennie ...? Ist es möglich? Ist sie wirklich noch am Leben?«
»Sie lebt
und ist wohlauf«, sagte Tupper sanft und legte seine Hände um die ihren. »Sie
ist Gast in meiner Burg, sie hat schöne Kleider, reichlich zu essen und alle
Bücher, für die sie sich interessiert.«
Kitty
sackte zusammen. Ihre seidigen Wimpern flatterten, als wollte sie weinen.
Tupper fürchtete, selbst in Tränen auszubrechen, wenn er auch nur eine aus
ihren wunderschönen Augen kullern sähe.
Doch sie
bändigte ihr bebendes, zartes Kinn und warf ihm einen merkwürdig schwülen Blick
zu.
»Wer hätte
gedacht, dass Gwennie als Eure Mätresse statt als Mahlzeit enden würde.«
Tupper
machte einen Schritt von ihr weg und protestierte hastig. »Ich versichere dir,
dass sie weder das eine noch das andere geworden ist. Ich hab deine Schwester
nicht kompromittiert. Ihre Tugend ist so unberührt wie an dem Tag, an dem sie
in der Burg zurückgelassen wurde.« Als er sich an den glühenden Kuss erinnerte,
dessen Zeuge er am Morgen geworden war, war er sich nicht sicher, wie lange er
diese Behauptung noch aufrecht erhalten konnte.
Kitty
seufzte und schüttelte
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