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Verzauberte Herzen

Verzauberte Herzen

Titel: Verzauberte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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streifte ihre Stirn mit einem keuschen Kuss.
    Als Kitty
ihre Augen öffnete, war sie allein auf der Weide. Bestürzt über das
Verschwinden des Drachen, sah sie hinauf zum Mond. Die meisten ihrer
Männerbekanntschaften, Ni-all eingeschlossen, hätten ihr schon dutzendfach
unter den Rock gefasst, wo dieser feine Kerl von einem Drachen noch nicht
einmal probiert hatte, ihr die Zunge in den Mund zu schieben.
    Aber die
Hand hatte er ihr geküsst, sie eine Dame genannt und ihr seinen Umhang umgelegt.
    Kitty
schloss die warmen Falten des Tuchs in die Arme. Sie fragte sich, ob sie ihn je
wiedersehen würde.

11
    In den
Tagen nach
Gwendolyns missratenem Fluchtversuch ließ sich der Drache nicht blicken.
Dennoch war seine Gegenwart so unentrinnbar wie das gedämpfte Tosen des Meeres.
    Wenn sie
aus ihren wüsten Träumen erwachte und sich im Schattenspiel ihrer Kammer allein
gelassen fand, brachte ihr Tupper täglich ein neues Kleinod aus dem schier
unerschöpflichen, magischen Fundus des Drachen – eine vergoldete Haarbürste,
einen Kamm mit Perlmuttintarsien, eine in Kalbsleder gebundene Erstausgabe von
Rene de Reaumurs Naturgeschichte der Insekten, eine runde Wanne voll
parfümierten Badewassers.
    Das Dorf,
ihre Schwestern, selbst ihr geliebter Vater verblassten im Schatten des
Drachen wie Geister aus einem anderen Leben. Es war, als sei sie nicht erst
seit wenigen Tagen, sondern seit Jahrhunderten sein verhätscheltes Schoßhündchen.
    Ihre
Gesellschaft bestand nur aus Tupper und Toby, doch keiner von beiden erwies
sich als überaus fesselnd. Tupper unterhielt sie mit Geschichten über seine
beherzte Großtante Taffy. Sich selbst unterhielt er, indem er ihr die zahmeren
Liebesabenteuer von Nessa entlockte und Glynnis' Versuche, einen Ehemann an
Land zu ziehen. Besonders aufmerksam spitzte er die Ohren, wenn sie auf Kitty
zu sprechen kam. Wenn Gwendolyn dann Niall erwähnte, diesen sommersprossigen
Spitzbuben, der ihrer Schwester die Unschuld geraubt hatte, stotterte Tupper
eine Ausrede, damit er das Zimmer verlassen konnte. Toby rollte sich am Fuße
ihres Betts zu einem wuchtigen Pelzballen ein und schlief den lieben langen
Tag.
    Gwendolyn
beneidete ihn um seine Gelassenheit. Sie selbst stapfte stundenlang ruhelos
durch die Kammer. Tupper brachte ihr die köstlichsten Mahlzeiten, die aus den
feinsten Früchten des Dorfs zubereitet waren. Trotzdem schwand ihr Appetit,
und sie schob die Speisen nur auf dem Teller herum.
    Eines
Morgens zwängte sich Tupper taumelnd unter einer mächtigen, schweren, in
Leintuch gehüllten Fracht durch die Tür. Gwendolyn sprang aus dem Bett. Sie war
nicht fähig, ihre kindliche Vorfreude zu verbergen, eine Vorfreude, die sie
seit dem Weihnachtsmorgen, bevor ihre Mutter starb, nicht empfunden hatte. Von
ihrem neuen Schatz war nicht mehr zu erkennen als ein Paar vergoldeter Füße,
die aussahen wie Drachenkrallen, die sich um zwei goldene Bälle krümmten.
Tupper stellte ihn mit einem erleichterten Grunzen neben dem Tisch ab. Dann
fischte er einen gefalteten Bogen Pergament aus seiner Westentasche und
überreichte ihn Gwendolyn.
    Während
Tupper sich den Schweiß von der Stirn tupfte, schlitzte sie mit dem Fingernagel
das scharlachrote Siegelwachs auf. Ein einziger Satz war auf das samtene
Papier gekritzelt: Ich wünschte, du sähest dich mit meinen Augen.
    »Soll ich?«
Tupper strahlte, als er sich anschickte, das Leintuch zu lüften.
    »Nein!«,
schrie Gwendolyn, die plötzlich ahnte, was unter dem Tuch war. Tupper war von
ihrer Weigerung, das Geschenk des Drachen zu enthüllen, konsterniert, doch er
war so taktvoll, dies nicht auszusprechen. Am späten Abend, lange nachdem er
ihr das Abendessen serviert hatte, warf Gwendolyn ihr Buch weg. Sie haderte mit
sich, las sie doch denselben Absatz schon zum achten Mal. Es war ihr unmöglich,
sich zu konzentrieren, wenn ihre Gedanken um den letzten Besuch des Drachen
kreisten und sein jüngstes Geschenk ihre Blicke auf sich zog.
    Sie konnte
nicht schlafen. Sie konnte nicht essen. Sie konnte nicht lesen. Wäre es nicht
so abwegig gewesen, dann hätte sie sich für liebeskrank gehalten. Sie hatte die
Symptome schon weiß Gott wie oft bei Nessa beobachtet: launenhafte Trödelei,
lustloser Appetit, einsames Seufzen.
    Aber wie
konnte sie in einen Mann verliebt sein, dessen Gesicht sie noch nicht einmal
gesehen hatte? Ein Mann, der aus einer rauchigen Stimme, einer verführerischen
Berührung, einem hinreißenden Kuss und sonst nichts bestand?
    Sie

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