Verzauberte Herzen
Tagen nicht gegessen.«
Sie hob
anmutig die Schultern. »Grämen Sie sich nicht, mein Herr. Ich versichere Ihnen,
dass es mehr als ein paar versäumter Mahlzeiten bedarf, mich aufzuzehren.«
Er trat ans
Bett. Gwendolyn glaubte, sie sei darüber hinaus, sich vor ihm
zusammenzukauern. Sie irrte sich.
Sie wusste
nicht, welch verwerfliche Schandtat sie von ihm erwartet hatte, aber sicherlich
nicht, dass er sie hochhob, als wöge sie nicht mehr als Kitty, und an den
Tisch trug. Er sank mit ihr auf dem Schoß in den Stuhl.
»Öffnen Sie
den Mund«, befahl er ihr. Sein harter Griff vereitelte jeden Versuch, sich ihm
zu entwinden.
Gwendolyns
erster wirrer Gedanke war, er wolle sie noch gründlicher küssen als letztes
Mal. Es war aber nicht sein Mund, der
sie berührte, sondern die kalte Wölbung eines Löffels.
»Weit
aufmachen und kosten, ja?«, bat er heiser.
Gwendolyn
konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt gedrängt worden war, etwas zu
essen. Eher bekam sie zu hören: »Lass Kitty noch einen Keks übrig, hörst du!«
Oder Izzy klopfte ihr mit dem Holzlöffel auf die Finger, wenn sie eine zweite
Portion Hafergrütze stibitzte. Das pikante Zimtaroma ließ ihr das Wasser im
Munde zusammenlaufen. Es brach ihr das Herz, ihm zu widerstehen.
»Das werde
ich nicht«, knurrte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Sie schüttelte den Kopf
wie eine trotzige Dreijährige.
Beiden war
wohl bewusst, dass er kräftig genug war, ihr den Löffel in den Mund zu zwingen,
wenn er es wollte. Aber es stellte sich heraus, dass er das ganz und gar nicht
wollte. Die betörende Wärme seines Atems ersetzte den Löffel an ihrem
Mundwinkel.
Dem
zärtlichen Hauch seines Atems ließ er seine Lippen folgen. Ihre Lippen gaben
wie von selbst nach, und er nutzte die Weichheit aus, um seine Zunge
hineinschlüpfen zu lassen. Sie stöhnte überwältigt.
Bevor
Gwendolyn zu sich kam, hatte er seine Zunge durch den Löffel ersetzt und füllte
ihren Mund mit warmem Schmelz. Sie spuckte, aber er bedeckte ihren Mund mit seinem,
zwang sie so, die köstliche Speise zu schlucken. Der Brotpudding war süß, aber
nicht halb so süß wie der aufreizende Wirbel seiner Zunge.
Sie drückte
sich an seine Brust, damit er den Kuss unterbrechen musste. Als sie anhob zu
protestieren, steckte er ihr einfach den vollen Löffel in den Mund, als sei sie
ein aus dem Nest gefallenes Küken, das er aufpäppeln musste.
Bevor er
den Löffel wieder an ihren Mund führen konnte, hatte
Gwendolyn ihre fünf Sinne wieder beisammen. »Wenn Sie mir von diesem Zeug ohne
meine Erlaubnis noch mehr in den Mund schieben, spuck ich es Ihnen ins
Gesicht.«
»Kommen Sie
schon, Sie wollen Tupper doch nicht etwa beleidigen. Er hält sich für einen
exquisiten Koch. Er sollte einmal Haggis nach diesem neuen Rezept für Sie
kochen.« Er meinte den kräutergefüllten Schafsmagen, eine Spezialität aus dem
Hochland.
»Tupper mag
ein glänzender Koch sein, aber Sie, mein Herr, sind ein brutaler Rohling.«
»Nur wenn
ich mich mit einem störrischen Kind herumschlagen muss.«
Gwendolyn
versuchte aufbrausend, sich freizustrampeln. »Was bin ich denn nun, Mylord
Drache – ein verhätscheltes Schoßtier oder ein störrisches Kind? Oder richtet
sich Ihre Wahrnehmung danach, wie gefügig ich Ihren Launen bin?«
Seine Arme
strafften sich. »Sie haben keine Ahnung von meinen Launen, sonst würden Sie auf
der Stelle aufhören, wie verrückt zu zappeln.«
Gwendolyn
tat genau das. Die Dunkelheit schärfte jeden ihrer Sinne. Sie verdichtete den
rauen Rhythmus seines Atems, verstärkte den Herzschlag unter ihrer Handfläche.
Jeder Atemzug war gesättigt von Sandelholz und Gewürzen.
Das krause
Brusthaar, das aus seinem geöffneten Hemdkragen herausquoll, kitzelte ihre
Fingerspitzen. Aber es war die straffe Wärme seines Schoßes unter ihrem
Hinterteil, die ihr einen panischen Schrecken einjagte. Sie wurde stocksteif
wie eine Marionette.
»Nun«,
sagte er todernst, »werden Sie essen, oder muss ich Sie noch einmal küssen?«
Sein Atem streifte ihre glühende Wange. Er warnte sie, dass er seine Drohung
wahr machen würde.
»Ich werde
essen«, versetzte sie und öffnete den Mund.
»Sie
verstehen es, einem Mann den Wind aus den Segeln zu nehmen«, murrte er und
fütterte sie mit einem Löffel Pudding.
Gwendolyns
Kenntnisse der männlichen Anatomie waren bescheiden, aber so viel sie aus den
Unterhaltungen von Nessa und Glynnis wusste, hatte er noch jede Menge Wind in
den Segeln. Sie schluckte.
Weitere Kostenlose Bücher