Verzauberte Herzen
geballten Fäusten an der Haupttür Halt. Sein Brustkorb hob und
senkte sich. Nie wieder würde er sich im Dunkeln zusammenkauern und auf das
vernichtende Zischen einer einschlagenden Kanonenkugel warten. Niemals wieder
würde er seine Geschicke einer Rettung anheim stellen, die nicht kam. Er riss
die Haupttür auf und stampfte in die Nacht hinaus.
Mitten im
Burghof reckte er die Arme. Sollten ihm diese Hurensöhne doch die Knochen in
Splitter schießen. Mit zugekniffenen Augen warf er den Kopf zurück. Ein Schrei
löste sich aus den Tiefen seiner Seele. Doch nicht einmal sein gequältes
Heulen nahm es mit dem Dröhnen auf, das den Boden unter seinen Füßen
erschütterte.
Das Krachen
verebbte zu einem Rollen. Der Drache öffnete die Augen, überrascht, immer noch
auf seinen zwei Beinen zu stehen. Der Regen klatschte ihm Hemd und Hose an den
Leib und spülte den Wahn fort, der ihn heimgesucht hatte.
»O Gott«,
flüsterte er auf Knien.
Hätte er
mit einem Gewitter gerechnet, dann hätte er den Schlaf gemieden. Tupper hätte
ihm die Zeit mit witzigen Anekdoten vertrieben, einer Schachpartie bei einem
Glas Port, allem, was seiner wilden Seelenqual die Spitze gebrochen hätte.
Der Drache
vergrub sein Gesicht in den Händen. Auf einem Schiffsdeck stand er jeden
Schlachtenlärm aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch an diesem verwunschenen
Ort trieb ihn ein harmloser Donnerschlag an den Rand des Wahnsinns.
Als er den
Kopf hob, zeigte ihm ein Blitz, dass er zu Füßen der Aphrodite kniete. Das
letzte Gewitter hatte ihm Gwendolyn
eingebracht. Sie war ihm eine willkommenere Zerstreuung, als es Tupper je sein
konnte. Er bemerkte betreten, wie sehr er sich danach sehnte, zu ihr zu gehen.
Seine
Glieder schmerzten beim Aufstehen. Er bahnte sich den Weg durch den peitschenden
Regensturm zurück in die Burg, entschlossen, sich den einzig möglichen Trost zu
holen.
Gwendolyn riss es aus dem Schlaf.
Bis ein
Donnerschlag dem Blitz folgte, verwechselte sie ihr
Herzklopfen mit dem Echo des geträumten Geschützdonners. Windstöße beutelten
den Turm. Sie heulten enttäuscht, als er sich weigerte einzustürzen.
Zitternd
umarmte sie sich selbst. Fast wünschte sie, der Drache wäre hier, fast wünschte
sie, seine süßen Küsse würden den bitteren Geschmack des Albtraums wegspülen. Aber
die zuckenden Blitze bewiesen, dass sie alleine war.
Endlich
flaute der Wind ab. Sie hörte ein merkwürdiges rhythmisches Schlagen, das
sicherlich kein Donner war. Fast hätte sie gekreischt, als Toby auf ihre Füße
plumpste.
»Wo kommst
du denn her, Dicker?« Sie kraulte ihm den Hals. »Ich könnte schwören, dass
Tupper dich rausgelassen hat, als er ging.«
Der Kater
schnurrte brummig. Gwendolyn stieg aus dem Bett und tastete sich an der Wand
entlang. Zwischen den Blitzen war die Kammer stockfinster.
Sie tappte
nach der Tür, aber da war nur Luft. Das rhythmische Geräusch kam von der
Vertäfelung der Tür, die sanft an die Wand klapperte. Eine kräftige Hand hatte
sie wohl zu schwungvoll zugeschlagen.
Die Tür
stand offen. Gwendolyn war frei.
13
Gwendolyn trat von der Tür zurück. Träumte
sie nur? Wenn sie die Schwelle überschritt, würde sie dann die Geister-schritte
des Jungen auf den Treppen hören? Würde sein spöttisches Lachen sie zu einer
Jagd verlocken?
Sie kniff
die zarte Innenseite ihres Unterarms – fest. Vom Schmerz bestätigt, holte sie
Luft und duckte sich durch die offene Tür.
Erst in der
nasskalten Luft außerhalb ihrer Kammer bemerkte sie, welche Mühe es gekostet
haben musste, den Turm
behaglich warm zu halten. Vorsichtig tastete sie sich über die
enge Wendeltreppe nach unten. Sie duckte sich vor dem Regenwasser, das durch
einen Riss im Dach strömte.
Ihr
Nachthemd verfing sich in einem geborstenen Steinblock. Sie zerrte am Saum,
stolperte über drei Stufen und landete mit einer ungeschickten Bewegung direkt
vor – gar nichts.
Die
Nordmauer war aufgerissen und bot einen Schwindel erregenden Ausblick auf die
wogende Gischt. Ein Wetterleuchten tanzte am mondlosen Himmel. Es erhellte die
zerfurchten Klippen und die nackten Felsen darunter.
Gwendolyn
drückte sich an die gegenüberliegende Wand. Waren dies die Schrecken, die der
Drache auf sich nahm, um in der finsteren Nacht an ihrer Seite zu sein?
Sie
fürchtete erst, sich nicht mehr von der Stelle rühren zu können. Dann atmete
sie ruhig durch und kniff die Augen zu. Zentimeterweise schlich sie an dem
klaffenden Loch vorbei in die unterhalb
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