Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verzauberte Herzen

Verzauberte Herzen

Titel: Verzauberte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
seinen Vater an Cumberland verraten, dann wäre er heute
noch ihr Herr. Sie betrachtete die Nymphen, die auf der Zimmerdecke
herumtollten, und fragte sich, ob er jemals in dieser Kammer geschlafen hatte.
    Würde er
hier wohnen, so hätte sie wahrscheinlich mitansehen müssen, wie er eine andere
zur Frau nahm – die Tochter eines benachbarten Lehnsherren oder eine der
hübscheren Mädchen aus dem Dorf, vielleicht sogar Glynnis oder Nessa.
Möglicherweise hätte sie unter Tränen seinem dunkelhaarigen, grünäugigen Sohn
zulächeln müssen, wie er auf seinem Pony an dem Baum vorbeitrabte, der einst
ihr Zufluchtsort war. Aber was hätte sie nicht für das Glück gegeben, Bernard
MacCullough zum hoffnungsvoll männlichen Stolz seines Clans heranwachsen zu
sehen.
    Gwendolyn
strich über ihre tränennasse Wange. Sie weinte nicht nur um den verlorenen
Jungen, sondern auch um das Mädchen, das ihn geliebt hatte. Das Mädchen, das
die bewaldeten Hügel und die verwinkelten Korridore seiner Burg durchstreifte,
nur um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Manchmal schien es ihr, als sei ihrer
beider Leben in dem Moment erloschen, als die erste Kanonenkugel die Einfriedung
der Burg durchbrach.
    Der
weinerliche Dudelsack verstummte. Sie rollte sich ein und zog die Bettdecke ans
Kinn. Was würde der Junge von der Frau denken, zu der sie geworden war?
    Gwendolyn träumte. Sie rannte, wieder Kind,
durch die endlosen Fluchten der Burg. Sie konnte den Jungen hören, aber nicht
sehen. Er tänzelte vor ihr die geschwungene Steintreppe hinunter, nahm die
letzten Stufen mit katzenhafter Anmut. Sein hänselndes Lachen traf sie, aber
gleichgültig, wie sehr
sie ihn bat zu warten, er rannte weiter, als könne ihm nichts und niemand etwas
anhaben.
    Sie sah
sich um, verschreckt von anschwellendem Kanonengrollen. Wenn sie ihn nicht
aufhalten konnte, war alles zu spät. Doch sie war zu dick. Zu langsam. Ihre
kurzen, plumpen Beine konnten mit seinen langen, gelenkigen nicht mithalten.
Bog sie um eine Ecke, verschwand er um die nächste.
    Gwendolyn! Er sang ihren
Namen, damit sie die Jagd nicht aufgab.
    Schon bebte
der Boden unter ihren Füßen vom lauter werdenden Kanonendonner. Hörte er ihn
nicht? Fühlte er ihn nicht?
    Als sie die
Haupttreppe hinabstürzte, erhaschte sie den flüchtigen Anblick seines
fliegenden scharlachroten und schwarzen Tartans.
    Hoffnung
erfüllte sie. Wenn sie nur den Tartan zu fassen bekäme, könnte sie ihre Arme
nach ihm auswerfen und ihn für immer vor Unheil bewahren.
    Ihre Füße
trafen auf die Fliesen am Fuß der Treppe. Ein ohrenbetäubender Donner
erschütterte die Burg. Sie fiel auf die Knie und presste die Hände auf die
Ohren.
    Als sie
sich endlich traute, die Augen wieder aufzuschlagen und die Hände
herunterzunehmen, schwiegen die Kanonen bedrohlich.
    Sie
richtete sich mühsam auf. Der Bogengang zur großen Halle lockte sie vorwärts.
Ihre Stimme brach, als sie seinen Namen rief.
    Nur die
Asche, die vom Dach rieselte, gab Antwort. Sie wollte glauben, dass der
eigensinnige Junge sich versteckte, an einem
unterdrückten Lachen schier erstickte und nur darauf wartete, sie aus
irgendeiner dunklen Ecke heraus zu foppen.
    Aber dann
fand sie im Saal ein scharlachrot-schwarzes Bündel. Sie kniete sich hin und
streichelte zärtlich das Wolltuch. Obwohl sie erwartete, es sei blutgetränkt
wie schon in hundert anderen Träumen, war die Wolle trocken, waren ihre Finger
unbefleckt.
    Mit
zitternden Händen zerrte sie an einer Ecke des Tartans. Statt sich wie sonst
zu widersetzen, wehte das Tuch auf. Sie staunte, überwältigt.
    Sie hatte
nur den Tartan in der Hand. Der Junge war fort.
    Der
Drache saß
senkrecht auf seinem Lager. Obwohl es kühl war, glänzte sein muskulöser
Oberkörper vor Schweiß. Sie kamen. Er konnte sie hören – das Klappern der Hufe;
das Poltern der Räder auf der holprigen Burgleite. Das Stirnmengewirr aus
Flüchen und Befehlen; vereinzeltes Musketenfeuer. Er sprang keuchend auf, warf
sein Hemd über.
    Er hechtete
im Dunkeln die Stiege hinauf. Die Waffenkammer fand er finster und verlassen,
wo er doch erwartete, dass die Männer sich zur Schlacht rüsteten. Er ertastete
den Weg zur Kapelle und betete, dass er dort jemanden anträfe. Doch seinem Ruf
antwortete nur ein hohles Echo. Es schien, als habe selbst Gott ihn verlassen.
    Aus einem
ausgesparten Fensterloch zischte ein blendender Lichtstrahl.
    Er kam zu
spät. Sie hatten die Fackel schon an die erste Zündung gesetzt.
    Der Drache
machte mit

Weitere Kostenlose Bücher