Verzauberte Herzen
auszufor schen wie ein
schutzloses Kind. Sie erinnerte sich allerdings dunkel, dass er solche
Gewissensbisse nicht kannte, als er in ihre Kammer geschlichen war, um sie im
Schlaf zu beobachten.
Sie kniete
sich neben ihn hin und hielt die Kerze hoch.
Seine Hand
schnellte heraus, packte ihr Handgelenk und warf die Kerze gegen die Wand. Ihre
Plätze waren plötzlich vertauscht.
Gwendolyn schnappte nach Luft. Es war eine Sache, in seinen Armen zu stehen,
aber eine ganz andere, in seinen Armen zu liegen. Seine unnachgiebige Brust
stieß an die Weichheit ihrer Brüste.
»Haben Sie
hier etwas verloren, Miss Wilder? Ihren Verstand vielleicht?«
Sie war
also wieder Miss Wilder. Gwendolyn sank der Mut. Hatte er ihren Namen nicht wie
eine Zauberformel an ihrem Mund geflüstert?
»Das
Einzige, was ich verloren habe, ist meine Kerze, Mylord Drache.«
»Gott sei
Dank. Sie hätten fast meine Haare damit in Brand gesetzt.«
»Vermutlich
soll ich Ihnen jetzt dankbar sein, dass Sie mir die Kehle nicht
durchgeschnitten haben.«
»Danken Sie
mir noch nicht. Die Nacht ist noch jung.«
Gwendolyn
schluckte. Sie war wie versteinert vom räuberischen Funkeln in seinen Augen
und der rauen Hitze des großen männlichen Körpers über ihr.
Sein Atem
roch nicht nach Whisky, was sie darin bestätigte, dass er nüchtern noch
gefährlicher war als betrunken.
Er rollte
von ihr herunter und zerrte sie auf die Füße.
»Sie sind
ein ziemlicher Quälgeist.« Er ging zielstrebig zum Kamin, wo er mit dem
Schürhaken einige widerspenstige Scheite zerstob. »Wenn Sie bleiben sollen,
reißen Sie aus. Und wenn Sie fliehen könnten, bleiben Sie.«
»Ist es
das, was Sie von mir wollen, dass ich gehe?«
Er drehte
sich zu ihr um. Die schwache Kaminglut zeichnete seine Silhouette nach. »Was
ich will, ist bedeutungslos. Sie haben das letzte Nacht sehr deutlich gezeigt.«
Obwohl
Gwendolyn durch und durch warm war, fühlte sie ihre Wangen noch heißer werden.
Sie wusste nur zu gut, dass sie von einer Lust gekostet hatte, die ihm
anscheinend verwehrt geblieben war.
»Sie
sollten häufiger erröten, Miss Wilder. Es steht Ihnen«, setzte er sanft hinzu.
Sie
berührte ihre Wange. »Wie haben Sie das ...?«
»Bekanntlich
können Drachen im Dunkeln sehen.«
Wenn er ihr
Erröten sehen konnte, dachte sie, dann konnte er auch sehen, wie sorgfältig
sie sich zurechtgemacht hatte. Er
konnte sehen, dass sie ihr Haar gebürstet hatte, bis es in schimmernden
Kaskaden über ihren Rücken wogte. Er konnte sehen, dass sie das Kleid gewählt
hatte, das ihren Rundungen am meisten schmeichelte. Er konnte sehen, wie sehr
sie sich bemüht hatte, sich mit seinen Augen zu sehen.
»Das habe
ich vermutet«, sagte sie trocken. »Die Dunkelheit hat mir nie viel Schutz
gewährt, wenn es Sie betraf.«
»Ist es
das, was Sie brauchen? Schutz? Vor mir?«
»Mehr als
Sie glauben«, gab Gwendolyn zu und kam einen Schritt näher.
Die
Wachsamkeit in seinen Augen verschärfte sich. »Wenn Sie mir Ihre Abschiedsgrüße
entbieten wollten, bevor Sie in ihr reizendes Dorf zurückeilen, dann kann ich
Ihnen die Mühe ersparen. Ich werde morgen selbst abreisen.«
Gwendolyns
Herz taumelte. »Mit den tausend Pfund, wegen denen Sie gekommen sind?«
»Ich glaube
inzwischen, dass der Aufwand, das Gold zu finden, den Ertrag übersteigt.«
»Und wann
genau haben Sie das entdeckt?«
Sie
erwartete, dass er ihre Frage auf die leichte Schulter nahm, aber die Antwort
kam todernst. »Letzte Nacht. Als Sie sich von mir losgerissen haben, als wäre
ich ein gemeiner Rohling.«
Gwendolyn
schüttelte den Kopf. »Wir waren beide im Unrecht letzte Nacht, Mylord Drache.
Der Kuss einer Jungfrau besitzt nicht die Macht, ein Untier in einen Mann oder
ein Mädchen in eine Frau zu verwandeln. So süß ein Kuss auch sein mag, es gibt
etwas weitaus Mächtigeres.«
»Tun Sie's
nicht«, rief er barsch. »So sehr ich Sie auch in meinem Bett haben möchte – von
meiner Seite droht Ihrer kostbaren Tugend keine Gefahr.«
»Sie
glauben, ich sei deswegen gekommen? Um mich Ihnen hinzugeben?« Sie machte noch
einen Schritt auf ihn zu.
»Ich warne
Sie. Falls Sie so töricht sein sollten, ich werde nicht die Kraft haben, Sie
abzuweisen. Aber ich werde die Kraft aufbringen, morgen abzufahren.« Er
streckte die Hand aus, als habe sie die Macht, sie aufzuhalten, wenn es seine
Worte nicht vermochten.
Gwendolyn
ergriff diese Hand. »Ich bin gekommen, Ihnen etwas zu geben, was mächtiger ist
als ein Kuss und bleibender als
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