Verzauberte Herzen
gedacht, dass es so groß
geraten würde.
»Sie dürfen
MacCullough davon in Kenntnis setzen, dass wir sein Angebot annehmen«, beschied
sie Tupper, »aber er sollte besser als irgendjemand sonst wissen, dass es
Schulden gibt, die nie mehr beglichen werden können.«
20
Die
Dudelsäcke weinten
nicht mehr um Ballybliss' verlorenen Prinzen. Weyrcraig Castle erstrahlte in
neuem Lichterglanz, und seine Gespenster hatten ihre letzte Ruhe gefunden. Die
Dorfbewohner scherten sich nicht um die königliche Ächtungsakte, die ihnen –
nachdem Bonnie Prince Charlie bei Culloden unterlegen war – das Tragen ihrer
Hochlandtracht verboten hatte und schwärmten in farbenfrohen Tartans und federgeschmückten
Mützen den Hügel hinauf.
Sie liefen
durch die in Stand gesetzten, schmiedeeisernen Tore in den fackelerleuchteten
Burghof und brachten mit ihrem
Gelächter die kalte Nacht zum Erklingen. Von hoch oben, von einem der
Turmfenster aus, suchte eine einsame Gestalt die lachende Menschenmenge nach
dem einen Gesicht ab, das sie nicht zu finden fürchtete.
Die besten
Handwerker Englands und Schottlands hatten zwei Monate lang jede wache Minute
darauf verwandt, neue Mauern hochzuziehen und die geborstenen zu flicken, doch
Bernard erschien das Schloss mehr denn je eine Ruine zu sein. Er vermisste die
Abgeschiedenheit. Er vermisste die Dunkelheit.
Und er
vermisste sie.
Er lehnte
sich an die Brüstung des Fensters und schloss kurz die Augen. Ihm fehlte
Gwendolyns Courage, ihr Widerspruchsgeist und die Sanftmut, die sie in seinen
Armen gezeigt hatte. Kein Zement der Welt konnte die Löcher und Risse füllen,
die Gwendolyn hinterlassen hatte. So vieles war ungesagt geblieben, so viele
Antworten hatte sie ihn nicht geben lassen.
Er zwang
sich seit nunmehr zwei Monaten, ihr fern zu bleiben und sagte sich, dass sich
seit jener Nacht, als er sie im Burghof gefunden hatte, schließlich nichts
verändert hatte. Mochte er sich auch kleiden wie ein Gentleman und leben wie
ein Prinz – im Herzen war er eine Bestie geblieben, eine Kreatur, die kein
Gewissen und keine Reue kannte.
Die Angst,
die er in jener Nacht am Strand in ihren Augen gesehen hatte, ging ihm nicht
aus dem Kopf. Sie schien Bernard MacCullough mehr zu fürchten als den Drachen.
Nicht, dass er ihr das vorwerfen konnte.
Er schaute
den Dörflern zu, wie sie durch Tore strömten, die sie weit geöffnet willkommen
hießen. Sie wussten nicht, dass sie in eine Falle liefen. Bevor die Nacht
vorüber war, würden sie sich darum prügeln, ihm den Verräter auszuliefern, der
seine Familie zerstört hatte. Vielleicht war es besser, wenn Gwendolyn nicht
dabei war. Er konnte nicht erwarten, dass sie gutheißen würde, was er
vorhatte.
Bernard
sammelte sich und zog routiniert die Rüschenmanschetten zurecht. Er hatte
keine Zeit mehr, vor sich hin zu trauern. Unten warteten seine treu ergebenen
Clansleute darauf, auf die Gesundheit ihres Gastgebers zu trinken, und er war
mehr als bereit, ihnen diese Freude zu machen.
Gwendolyn saß am Bett ihres Vaters und war
entschlossen, so lange dazubleiben, wie sie nur konnte. Sie hätte am liebsten
den ganzen Abend damit verbracht, ihre Nase tief in die neueste
Veröffentlichung der Königlichen Gesellschaft zur Erlangung
Naturwissenschaftlicher Erkenntnisse durch Experiment zu stecken, aber sie
brachte es nicht übers Herz, Kitty an ihrem Hochzeitstag ganz im Stich zu
lassen. Sie seufzte und vermisste ihre Schwester schon jetzt. Ab heute Nacht
würde sie keine Sorge mehr haben müssen, unsanft von Kittys Ellenbogen geweckt
zu werden.
Fröhliches
Dudelsackgepfeife kam durch die geschlossenen Fensterläden. Auch der
altehrwürdige Wald konnte die Musik und das Gelächter, das durch die Schluchten
drang, nicht dämpfen. Die Festivitäten würden im Laufe der Nacht zweifellos
ausarten, was der Großzügigkeit des Clanslords zu verdanken war, und der in
Strömen fließende Whisky würde manche Zunge lockern und jahrelang kultivierte
Hemmungen abbauen.
Papa zuckte
im Schlaf. Er war schon den ganzen Tag über gereizt gewesen. Er hatte sich vor
den Schatten erschreckt, ständig an Gwendolyns Hand gezerrt und so lange über
des Drachen Zorn lamentiert, bis Gwendolyn sich nur noch eine Decke über den
Kopf ziehen wollte. Wie schade war es doch, dass er nie erfahren würde, dass
seine jüngste Tochter drauf und dran war, einen künftigen Viscount zu heiraten.
Die Tür
quietschte, Izzy kam geschäftig herein und war erstaunt, Gwendolyn
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