Verzauberte Herzen
spuckenden Baby aus und geriet auch schon an Ross' Mutter, die in einen
so tiefen Knicks versank, dass ihr
beim Aufstehen die Knie krachten. »Und wie geht's dem lieben
Papa, Kind?«, fragte sie mit geziertem Lächeln. »Ich hoff' doch, gut.« Als
Gwendolyn fort war, beugte sie sich zu
einer ihrer Busenfreundinnen hinüber und flüsterte laut genug, um auch noch die
Toten zu wecken: »Wie schade, dass das Mädchen vergeben ist. Ich habe schon
immer gesagt, sie tät gut zu einem meiner Jungs passen.«
Gwendolyn
beschleunigte ihren Schritt und wusste nicht, ob sie
lachen oder weinen sollte. Die Leute im Dorf weigerten sich
hartnäckig zu glauben, dass sie nicht die Mätresse des Clanslords war. Dass sie
über das, was sich in den zwei Wochen
ihrer Gefangenschaft zwischen ihr und Bernard abgespielt
hatte, eisern schwieg, hatte die Gerüchteküche erst recht zum Brodeln gebracht.
Sie konnte das Herrenhaus nicht
mehr verlassen, ohne dass sofort irgendwer einen
Kratzfuß oder einen Knicks vor ihr machte, um wieder auszubügeln, was man ihr
angetan hatte. So amüsant die Schmeichlerei
auch war, es ärgerte sie, dass die Dörfler glaubten, sie habe Bernard
MacCullough gehört. Oder dass es ihn womöglich kümmerte, was aus ihr wurde.
Gwendolyn
seufzte erleichtert auf, als endlich das Gartentor des Herrenhauses hinter ihr
ins Schloss fiel.
»Gwennie?«
»Ja, Papa,
da bin ich wieder.« Gwendolyn stellte ihre Körbe ab und lief in den seitlichen
Hof, wo ihr Vater sich im Schatten
eines Apfelbaumes in seinem Sessel ausruhte. Sie kniete sich
neben ihn und wickelte ihm den wollenen Mantel um die abgemagerten Beine. Es
tat Gwendolyn weh, ihn nur anzusehen,
so viel Gewicht hatte er in den letzten Wochen verloren.
Seine Rippen drohten schon fast die brüchige, pergamentartige Haut zu
durchstoßen, und seine Augen schienen jeden
Tag tiefer zu liegen. Es hatte Izzy keinerlei Mühe gekostet,
ihn auf ihren kräftigen Armen ins Freie zu tragen. An warmen Sommertagen saß er
gern hier bei den Steinen, die Mutters
Grab umstanden. Es beruhigte ihn, und es schien fast, als könne er die
Gegenwart seiner geliebten Frau spüren.
Er krallte
sich an Gwendolyns Arm fest und schaute sie mit verängstigten, wässrigblauen
Augen an. »Ich hab geträumt, Kind. Ich hab geträumt, dass er kam, um mich zu
holen.«
»Oh, Papa«,
sagte sie kopfschüttelnd. »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass Cumberland
meilenweit weg ist. Er wird dir nie mehr etwas antun.«
»Doch nicht
Cumberland. Sondern der Drache! Er ist zurückgekommen, nicht wahr? Um uns alle
zu zerstören.«
Eine
Mischung aus Trauer und Furcht schnürte Gwendolyn die Kehle zu. »Der Drache
ist endgültig fort, Papa. Er wird keinen von uns mehr belästigen.«
»Aber wenn
er wiederkommt, dann beschützt du mich vor ihm, nicht wahr?« Er quetschte ihre
Hand so fest, dass es wehtat.
»Aber
sicher, Papa. Ich beschütze dich. Ich schwöre es dir«, versicherte sie und
drückte ihm einen Kuss auf die dürren Wangen.
Er schaute
sie freudestrahlend an. »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann. Du warst
von jeher schon mein gutes Mädchen, nicht wahr?«
Er würde
nie erfahren, dass sie ein verruchtes Mädchen voller sündiger Leidenschaft und
schändlicher Sehnsüchte war. Ein
gutes Mädchen wäre dankbar gewesen, den Verführungskünsten
des Drachen nicht erlegen zu sein, doch Gwendolyn erwachte des Nachts mit
tränenverschmierten Wangen und
einem Körper, der vor Bedauern brannte. Für einen Moment glaubte sie, wieder in
des Drachen Höhle zu sein und setzte sich auf, um seinen Schatten in der Dunkelheit
zu suchen, bis Kittys regelmäßiger Atem sie wieder in die Realität zurückholte.
Sie war
fast erleichtert, als Izzy mit einem Korb voller tropfnasser Wäsche aus der
Küche kam. Wenn sie bis zur Erschöpfung arbeitete, würde sie heute Nacht
vielleicht in einen traumlosen Schlaf fallen. Sie ließ ihren Vater dösend im
seitlichen Hof zurück und fing an, die Wäsche aufzuhängen.
Izzy
watschelte mit Gwendolyns Körben in die Küche zurück, da kamen Glynnis und
Nessa durchs rückwärtige Tor. Gwendolyn hätte fast lauthals geächzt. Ihre
Schwestern waren noch aufdringlicher als die Dorfbewohner. Sie zogen jedes Mal
einen Flunsch und schmollten stundenlang, wenn sie sich weigerte, spitzfindige
Fragen nach ihrer Zeit mit dem Drachen zu beantworten.
Gwendolyn
fischte einen Keks aus ihrer Schürzentasche und wartete argwöhnisch auf die
beiden. Nessa und Glynnis warfen einander
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