Verzaubertes Verlangen
auch irgendjemand anderem etwas anzutun, nachdem der Schurke geflohen war?«
Sie hatte ihn jetzt vollends aus dem Gleichgewicht gebracht, und er war ein wenig benommen. »Warum?«
»Sie werden zur Jagd getrieben, weil es Ihre Natur ist, zu beschützen, was oder wen immer Sie in Ihrer Obhut haben. Deshalb sind Sie heute Nacht ja überhaupt in das Haus gegangen. Sie sind gelegentlich ausgesprochen stur und recht arrogant, Gabriel, aber ich habe niemals auch nur einen Augenblick lang daran gezweifelt, dass Sie Ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen würden, um andere zu schützen.«
Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte, also schwieg er.
»Das wusste ich von unserer ersten Begegnung an«, fuhr sie fort. »Sie haben es in der Nacht bewiesen, als Sie Ihre Haushälterin und mich aus Arcane House fortgeschickt haben, um uns in Sicherheit zu bringen. Sie haben es abermals auf Ihre sturköpfige Art bewiesen, als Sie jeden Kontakt mit
mir gemieden haben, weil Sie mich nicht in Gefahr bringen wollten. Und als Sie schließlich doch den Weg zu mir gefunden haben, war es, weil Sie sich verpflichtet fühlten, mich zu beschützen. Und Sie haben jenen Aspekt Ihrer Persönlichkeit heute Nacht von neuem unter Beweis gestellt, als Sie Mr. Montrose zur Hilfe geeilt sind und als Sie beschlossen, meine Familie aufs Land zu schicken.«
»Venetia –«
»Ihre Ängste sind unbegründet«, sagte sie. »Sie sind kein wildes Tier, das in einen Blutrausch verfällt. Sie sind in Ihrem Herzen ein Beschützer.« Sie schmunzelte. »Ich würde nicht so weit gehen, Sie einen Schutzengel zu nennen, auch wenn Sie Gabriel heißen, aber Sie sind eindeutig zum Beschützer geboren.«
Er fasste sie bei den Schultern. »Wenn das stimmt, warum wollte ich mich dann auf Sie stürzen von dem Moment an, als ich heute Nacht zur Tür hereingekommen bin? Warum muss ich mich mit aller Macht zurückhalten, Ihnen nicht hier und jetzt den Morgenmantel vom Leib zu reißen, Sie auf den Boden zu werfen und mich in Ihnen zu verlieren?«
Sie nahm ihre Hände nicht von seinem Gesicht. »Sie haben mich vorhin nicht ins Bett gezerrt, weil es weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort war. Und wir wissen beide, dass Sie mich auch nicht heute Nacht hier draußen im Garten lieben werden. Sie haben Ihr Verlangen und Ihre Triebe fest in der Hand, Sir.«
»Das können Sie nicht wissen.«
»Doch, das kann ich.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und berührte ganz sanft mit ihren Lippen die seinen. »Gute Nacht, Gabriel. Ich sehe Sie morgen früh. Versuchen Sie, etwas zu schlafen.«
Sie drehte sich um und ging zum Haus zurück.
Wie immer reagierte sein Körper auf die Herausforderung, die sie ihm präsentiert hatte.
»Eins noch«, sagte er leise.
Sie blieb an der Tür stehen. »Ja?«
»Nur aus reiner Neugier … Was sollte mich davon abhalten, Sie auf den Boden zu werfen und Sie leidenschaftlich zu lieben?«
»Nun, dass es hier draußen schrecklich feucht und kalt ist natürlich. Ganz und gar nicht bequem oder gesund. Wir würden zweifellos beide morgen früh mit einem akuten Anfall von Rheumatismus oder einer schweren Erkältung aufwachen.«
Sie öffnete die Hintertür und verschwand im Haus. Ihr leises Gelächter war wie ein erregendes Parfüm. Es hing noch lange, nachdem sie gegangen war, in der Luft und wärmte ihn.
Es war einige Zeit vergangen, als er schließlich die Stiege zu der kleinen Kammer auf dem Dachboden des Hauses erklomm. Montrose regte sich im Dunkeln auf der schmalen Pritsche.
»Sind Sie das, Jones?«, fragte er.
»Ja, Sir.« Er breitete die Wolldecken aus, die Mrs. Trench auf einem Stuhl bereitgelegt hatte, und baute sich daraus ein behelfsmäßiges Bett auf dem Boden.
»Es geht mich natürlich nichts an, aber ich muss gestehen, dass ich etwas verwirrt bin«, sagte Montrose. »Dürfte ich Sie wohl fragen, warum Sie hier oben in der Dachkammer schlafen?«
Gabriel begann, sein Hemd aufzuknöpfen. »Es ist alles etwas kompliziert, Sir.«
»Verflucht und zugenäht, Sie sind ein verheirateter Mann. Und ich muss sagen, Mrs. Jones ist eine reizvolle Frau. Warum sind Sie nicht unten bei ihr?«
Gabriel warf sein zerrissenes Hemd über die Rückenlehne des Stuhls. »Ich glaube, ich habe bereits erklärt, dass Mrs. Jones und ich überstürzt und im Geheimen geheiratet haben und dann aufgrund der Geschehnisse in Arcane House sogleich wieder getrennt wurden. Wir hatten keine Gelegenheit, uns als Mann und Frau aneinander zu
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