Verzehrende Leidenschaft
die Bemerkungen der Männer. Moira nahm an, dass diese noch um einiges derber werden würden, sobald sie die Türe hinter sich zugezogen hatten.
»Ich weiß nicht recht, warum wir bei diesem seltsamen kleinen Ritual mitspielen, Una«, meinte sie, während sie ins Obergeschoss gingen. »Es ist ja wahrhaftig nicht so, als würden wir heute Nacht irgendetwas anderes tun als sonst. Wir sind schon seit Längerem die Geliebten unserer Männer gewesen, und das wissen auch alle anderen.«
»Das gehört einfach dazu, Cousine.« Una grinste, während sie Moira in deren Schlafkammer zog. »Und außerdem wollte ich noch gern ein paar Worte mit dir allein wechseln.« Sie deutete auf Moiras Bett. »Schließlich hättest du, wenn Tavig dich hierhergebracht hätte, nicht die Gelegenheit gehabt, das da anzuziehen.«
Moira riss entzückt die Augen auf, als sie das Nachthemd erblickte, das auf dem Bett ausgebreitet war. Eilig trat sie heran und hob das weiße, mit kostbarer Spitze verzierte Gewand hoch. Aus Angst, es hätte vielleicht nicht die richtige Größe, betrachtete sie es erst einmal recht skeptisch; doch als sie es sich anhielt, seufzte sie erleichtert auf, denn sie stellte fest, dass es nur eine Spur zu groß war.
»Wie wundervoll, Una! Wo hast du das denn aufgetrieben?«
»Na ja, sobald ich erfahren hatte, dass wir die Männer unserer Wahl heiraten sollen, sprach ich mit den Frauen in dieser Burg. Es mussten ja früher andere Edelfrauen hier gelebt haben, selbst Mungan hatte eine Mutter.« Sie grinste kurz, als Moira kicherte. »Kurz, bevor ich dir mit den Schleifen geholfen habe, kam eine der Mägde und hat mir das hier überreicht. Es hat Mungans Mutter gehört.«
Moira starrte das kleine Nachthemd mit großen Augen an. »Ist sie bei der Geburt gestorben?« Sie lächelte ein wenig schief, als Una kicherte. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass eine Frau, die fast so klein ist wie ich, ein Kind zur Welt bringt, das irgendwann mal so riesig ist wie Mungan.«
»Sie hat fünf Söhne und eine Tochter geboren, und sie sind alle noch am Leben. Ich habe sie zwar noch nicht kennengelernt, aber Mungan meint, dass seine Brüder alle so groß sind wie er und auch seine Schwester ein großes, gesundes Mädchen ist.«
»Das ist wirklich außergewöhnlich. Aber hat er denn nichts dagegen, wenn ich das hier trage?«
»Nay. Die Sachen seiner Mutter wurden für die zukünftigen Ehefrauen der Söhne beiseitegelegt. Ich habe versucht, ein ordentliches Gewand für dich aufzutreiben, doch das meiste ist leider verschwunden; vielleicht sind auch andere Sachen daraus gefertigt worden. Aber das Nachthemd war noch da. Na gut, jetzt sollte ich wohl lieber in mein Schlafgemach, ich möchte bereit sein, wenn Mungan kommt.«
»Una, liebst du den Mann wirklich?«
»Aye. Ich dachte, das wüsstest du.«
»Na ja, eigentlich schon, aber ich habe es dich nie sagen hören. Einmal kam mir sogar der Gedanke, du wolltest ihn nur heiraten, weil … na ja, einfach deshalb, weil er dich nicht schlägt.«
»Aye, das war tatsächlich das Erste, was mir an ihm aufgefallen ist und weshalb ich mich zu ihm hingezogen fühlte. Es dauerte eine Weile, bis es mir klar wurde, doch eines Tages merkte ich, dass ich den Mann ständig herausforderte. Vom Zeitpunkt meiner Entführung an versuchte ich, ihn zu provozieren. Ich tat alles, von dem ich wusste, dass mein Vater mich geschlagen oder auf andere Weise bestraft hätte, doch Mungan hat mich nie angerührt. Er hat zwar viel herumgeschimpft, aber schon wenn er den Eindruck hatte, dass ich mich auf Schläge einstellte, war er beleidigt, ja richtig gekränkt.«
»Aye, Tavig ist genauso.«
»An dem Punkt habe ich mich in ihn verliebt. Aber jetzt muss ich wirklich los.«
Sobald Una weg war, streifte Moira ihre Kleider ab. Obwohl sie an diesem Tag schon gebadet hatte, wusch sie sich noch einmal von Kopf bis Fuß, bevor sie in das Nachthemd schlüpfte. Sie streichelte den weichen Stoff und befühlte vorsichtig die zarte Spitze. Noch nie hatte sie etwas so Schönes und Kostbares getragen. Seltsam, dachte sie, was ein Kleidungsstück alles ausmachen konnte. Sie war nun schon seit Längerem Tavigs Geliebte, doch allein dadurch, dass sie das herrliche Nachthemd trug, hatte sie das Gefühl, diese Nacht würde etwas ganz Besonderes werden.
* * *
Tavig straffte die Schultern, bevor er in die Schlafkammer trat. Er hatte sich noch immer nicht damit abgefunden, dass Moira ihre Hochzeit nur als etwas Vorübergehendes
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