Verzehrende Leidenschaft
stehen und drehte sich zu ihr um. »Deiner schuldbewussten Miene nach wirst du mir jetzt wohl gleich gestehen, dass du mitsamt meinem Sohn in das Herz des feindlichen Lagers geschlichen bist.«
»Eigentlich habe ich gerade versucht, mir etwas einfallen zu lassen, wie ich dir die Wahrheit sagen könnte, ohne dich anzulügen.«
»Moira!«
»Na ja, ich konnte ihn schlecht allein lassen, findest du nicht auch? Aber es war wahrhaftig nicht das Herz des feindlichen Lagers, sondern nur der Rand.« Sie lächelte ihn schief an, als er sie einen Moment lang ungläubig anstarrte. »Es tut mir leid, Tavig, doch ich konnte wirklich nicht untätig bleiben, als ich dich hilflos und in Fesseln daliegen sah. Wenn ich Adair allein gelassen hätte und erwischt worden wäre, wäre er so oder so gestorben. Ein kleines Kind kann hier draußen in der Wildnis nicht lange überleben. Aber ich war mir sicher, dass ich nah genug an dich herankommen könnte, um deine Fesseln zu zerschneiden, ohne gehört oder gesehen zu werden.«
»Adair hätte einen Laut von sich geben und Ivers Männer alarmieren können.«
»Das stimmt natürlich, aber er ist so ruhig und zufrieden, dass ich das Gefühl hatte, die Chancen, dass er es weiterhin bliebe, stünden recht gut.«
Leise fluchend schüttelte Tavig den Kopf und ging weiter. »Du bist verrückt. Und ich bin wohl auch ein bisschen verrückt, weil ich deine Gründe einsehen kann. Aber wo hast du eigentlich gelernt, dich so verstohlen zu bewegen, dass dich jeder Krieger darum beneiden würde? Diese Fertigkeit ist etwas, was ein Mädchen normalerweise nicht erwirbt.«
»Wenn man bei einem Mann wie Bearnard Robertson lebt, gewöhnt man sich an, leise zu sein und sich nicht sehen zu lassen. Das Letzte, was ich tun wollte, war es, seine Aufmerksamkeit zu erregen, denn er schien ständig wütend auf mich zu sein. Aber es ist schön, dass ich diese Fertigkeit gut verwenden konnte und nicht nur, um mich vor Bearnards Jähzorn zu schützen.«
»Es gefällt mir ganz und gar nicht, diesem Mann für etwas dankbar zu sein, selbst dafür, dass er dich etwas gelehrt hat, was dazu beigetragen hat, mein elendes Leben zu retten.«
»Na ja, richtig gelehrt hat er es mich nicht. Er hat mich nur dazu gebracht, es mir selbst beizubringen.« Sie erwiderte sein rasches Grinsen. »Im Übrigen ist so etwas auf Sir Bearnards Burg keine ungewöhnliche Fertigkeit. Fast alle, die sich dort gezwungenermaßen aufhalten, lernen, sich wie Geister zu bewegen.«
»Trotzdem hast du vor, zu diesem Ort des Schreckens zurückzukehren.«
»Ich habe keine andere Wahl.«
Tavig wirbelte herum und starrte sie so eindringlich an, dass sie unwillkürlich vor ihm zurückwich. »O doch, das hast du. Ich habe dir eine geboten, und zwar schon seit dem Tag, als wir auf diesem jämmerlichen Strand aufwachten. Du weigerst dich nur, sie anzunehmen. Wenn ich darüber nachdenke, was du alles riskiert hast, um mir das Leben zu retten, verstehe ich die Gründe für deine Weigerung immer weniger.«
»Das kommt nur daher, weil du dich weigerst, auf meine Begründungen zu hören oder einzusehen, dass die Vorfälle in diesen verfluchten Dörfern mir recht geben. An einer Verbindung zwischen uns wird sich nur der Aberglaube der Menschen entzünden und uns beide bedrohen. Das habe ich dir schon so oft gesagt, dass ich mir allmählich wie ein Kind vorkomme, das einem sehr fordernden Lehrer ständig dieselbe Lektion wiederholen muss.«
»Du bist doch kein Feigling, Moira, auf dieser Reise hast du wiederholt deinen Mut bewiesen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du dich wieder in Bearnards brutale Obhut begeben willst, nur weil du denkst, dass unsere Ehe den Aberglauben in den Menschen wecken wird. Ja, ich kann mir nicht einmal vorstellen, dass du vor Aberglauben Reißaus nehmen würdest.«
»Ich glaube nicht, dass ich so tapfer bin, wie du mich hinstellst«, widersprach sie, auch wenn seine Worte ihr schmeichelten. »Doch es wäre die reine Torheit, eine Gefahr zu erkennen und direkt darauf zuzulaufen, vor allem, wenn man die Wahl hat, eine andere Richtung einzuschlagen. Ist dir denn nie in den Sinn gekommen, dass das, was ich tue, vielleicht das Beste ist für dich und die Kinder, die wir womöglich bekämen? Vielleicht bin ich ja einfach nicht tapfer genug, mich dem zu stellen, was dir und unseren Kindern passieren könnte, nur weil wir dem Aberglauben die Stirn bieten.«
»Meine Leute sind nicht so töricht, bei ihnen würde uns nichts
Weitere Kostenlose Bücher