Verzehrende Leidenschaft
zu bewundern.
Andrew MacBain versank als Letzter in eine trunkene Besinnungslosigkeit. Tavig schloss die Augen. Er hatte so lange und so intensiv auf seine Häscher gestarrt, dass seine Augen brannten. Nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, richtete er den Blick wieder auf die Männer. Er musste Gewissheit darüber erlangen, dass sie tief und fest schliefen, wenn er zu fliehen versuchte. Seine einzige Chance bestand darin, möglichst weit in den hügeligen Bereich zu kommen, bevor sie sein Verschwinden bemerkten. Nur ganz kurz dachte er daran, ein Pferd zu stehlen, aber die Tiere waren den Männern zu nahe. Er konnte es nicht riskieren, sie aufzuscheuchen.
Er ließ noch ein wenig Zeit verstreichen, bevor er sich sicher genug fühlte, dass keiner der Männer sich vor dem Morgengrauen rühren würde. Doch er behielt sie noch immer sehr genau im Blick, während er langsam in den Wald zurückrobbte. Beinahe hätte er laut aufgestöhnt, als er es endlich wagte aufzustehen. Seine ersten Schritte waren noch sehr unsicher und dröhnten ihm beunruhigend laut in den Ohren, als er langsam durch den dunklen Wald schlich. Endlich erreichte er den felsigen Fuß der Hügel und war versucht, eine Pause einzulegen, doch er zwang sich dazu weiterzumarschieren.
Er wunderte sich, wie lange es dauerte, bis er die ersten Zeichen von Moira bemerkte. Er musste lächeln, als er sie hörte, bevor er sie sah. Wenn sie allein war, konnte sie sich wie ein Geist bewegen, doch nun zerrte sie die sture Ziege hinter sich her, und ihre Schritte waren alles andere als verstohlen. Vermutlich hätte er einfach zu ihr gehen und ihr auf die Schulter klopfen können, ohne dass sie sein Kommen bemerkt hätte. Doch diesen Schrecken wollte er ihr ersparen.
»Moira«, rief er und lächelte ein wenig, als sie keuchend herumwirbelte und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
»Bist du’s, Tavig?«
»Nay, es ist nur ein Geist, der so klingt wie ich.«
»Sehr witzig. Ich wusste, dass das eine blöde Frage war«, meinte sie, als er auf sie zutrat. »Aber was will man an Klugheit von jemandem erwarten, der dieses verflixte Vieh die ganze Nacht lang hinter sich hergezerrt hat?«
Tavig rieb den Kopf der Ziege und nahm Moira den Strick ab. »Sie will nur ein bisschen ausruhen, das kann man ihr nicht verübeln.« Er warf einen Blick auf die Packtaschen, die Moira dem Tier auf den Rücken gebunden hatte. »Das war ein guter Einfall.«
»Danke. Glaubst du, ihre Milch wird deshalb versiegen?«
»Das kann schon sein, aber bis es so weit ist, sind wir bei Mungan.« Er drückte einen zärtlichen Kuss auf ihre Lippen. »Danke, dass du mich gerettet hast.« Dann setzte er sich wieder in Bewegung, die Ziege hinter sich herziehend. »Aber du hättest es nicht tun sollen. Ich dachte, ich hätte dir klar genug zu verstehen gegeben, dass du das Kind nehmen und wegrennen solltest, und zwar so weit und so schnell wie möglich.«
»Aye, das hast du mir sehr deutlich zu verstehen gegeben«, gab sie zu und folgte ihm den steinigen Abhang hinauf. Sie war froh, dass sie in seiner Stimme keinen echten Zorn gehört hatte. »Es fiel mir zwar nicht leicht, dich im Stich zu lassen, aber ich habe genau das getan, was du mir gesagt hast.«
»Wenn du das getan hättest, wärst du nicht durch das Gras gekrochen, um meine Fesseln zu durchtrennen.«
»Ich meinte, anfangs habe ich dir gehorcht, aber sobald ich sah, wo du warst und dass du noch am Leben warst, musste ich handeln.«
»Du hast dich und meinen Sohn in Gefahr gebracht. Es war mein voller Ernst, als ich dir erklärte, dass es für dich und Adair gefährlich werden würde, wenn ihr Iver in die Hände fallt. Genauso gefährlich wie für mich.«
»Das war mir schon klar. Aber wie ich schon sagte – ich war sehr gehorsam. Doch dann habe ich dich gesehen, zwar gefangen, aber am Leben. Und ich habe auch gesehen, wie schwach deine Wächter waren. Ich habe ein langes Selbstgespräch geführt und schließlich beschlossen, dass ich einfach nicht weitergehen konnte. Es hätte mich mein Leben lang umgetrieben. Aye, und ich dachte, dass mir dein Sohn eines Tages Fragen zu diesem Tag stellen würde. Also habe ich beschlossen, einzugreifen und dir die Chance zu geben, dich selbst zu retten. Deine Bewacher waren so betrunken, dass es nicht schwer war, sich anzuschleichen und deine Fesseln zu durchtrennen.«
»Und was hast du mit dem Kind getan, während du in der Gegend herumgekrochen bist?« Als sie nichts darauf sagte, blieb er
Weitere Kostenlose Bücher