Verzehrende Sehnsucht
eilte zu Blaidds Scheibe und machte ein finsteres Gesicht, während Dobbin strahlte.
"Ein klarer Sieg für Mylady!" rief er.
"Pech gehabt", sagte Sir Blaidd nach einem kurzen Schweigen. "Ein schlechter Schuss. Trevelyans Vater würde sich für mich schämen."
Seine Lippen zuckten, als wenn er ein Lachen unterdrückte. Dann fiel ihr eine mögliche Erklärung für ihren Sieg ein, eine Erklärung, die sie wütend machte.
"Vielleicht war es so. Vielleicht aber auch nicht!" schrie sie. Sie blickte Sir Blaidd direkt in die Augen. Sie sprühte vor Zorn. "Habt Ihr mit Absicht das Ziel verfehlt?"
Er schaute sie verblüfft an. "Ich versichere Euch, Mylady, bei meiner Ehre als Ritter: Ich verliere niemals absichtlich."
Seine abschlägige Antwort war so eindeutig, dass Becca geneigt war, ihm Glauben zu schenken. Doch sie musste sichergehen, dass er auch wirklich nicht aus Mitleid danebengeschossen hatte. "Wir werden noch einmal gegeneinander antreten. Und schießt diesmal wirklich, so gut Ihr könnt."
"Das habe ich bereits getan", erwiderte er. Seine Augen funkelten. "Ich habe Euch nicht betrogen." Nach einem Moment angespannter Stille zuckte er jedoch mit den breiten Schultern. "Nun gut. Wie Ihr wollt. Wenn Ihr es wünscht, werden wir ein weiteres Mal schießen."
"Gut", entgegnete sie schnippisch.
"Worum geht es denn, Mylady?" fragte Dobbin, als er und Trevelyan zu ihnen herüberkamen.
"Ich hege die Befürchtung, dass Sir Blaidd gedacht hat, es wäre unritterlich, mich verlieren zu lassen. Vielleicht könntet Ihr ihm versichern, dass ich es ertragen kann, besiegt zu werden."
Dobbin zupfte am Kragen seines Umhangs. "Nun, Sir Blaidd. Sie verliert natürlich nicht gern, aber es wäre besser, wenn Ihr Euer Bestes gäbet."
Sir Blaidd stellte sich ungehalten vor ihn hin. "Ich habe sie nicht gewinnen lassen. Ich habe schlecht geschossen. Trev kann Euch bestätigen, dass so etwas schon einmal vorkommen kann."
Trev wirkte unangenehm berührt. "Er ist ein exzellenter Schütze."
"Nicht immer", entgegnete Blaidd stur. Was der Wahrheit entsprach, und Trev sollte das jetzt einfach nur zugeben. Es handelte sich hier immerhin nicht um ein Turnier, sondern um einen privaten Wettkampf. "Einmal habe ich deinem Vater sogar ins Bein geschossen."
Beccas Augen wurden groß. Dobbin stieß einen Pfiff aus. Die anderen Männer staunten. "Ihr habt Sir Urien Fitzroy angeschossen?" fragte Dobbin flüsternd.
"Ja, im vergangenen Jahr. Er hatte zu sehr auf mein Können vertraut und stand zu nah am Ziel."
Alle Augen wandten sich Trevelyan zu, der errötete und dadurch stillschweigend die Wahrheit von Blaidds Worten bestätigte.
"Ihr hättet hören sollen, welche Worte Sir Urien bei dieser Gelegenheit benutzt hat", fügte Blaidd hinzu. "Recht einfallsreich waren sie, um nur das Mindeste zu sagen. Natürlich hatte ich jede dieser Beschimpfungen verdient."
"Vielleicht seid Ihr doch ein schlechter Schütze", räumte Becca ein.
"Wollt Ihr es jetzt noch einmal versuchen, oder akzeptiert Ihr Euren Sieg?"
"Da Ihr bereit seid zuzugeben, dass Ihr den berühmten Sir Urien angeschossen habt, bin ich bereit anzuerkennen, dass ich ehrenhaft gewonnen habe."
Blaidd entspannte sich wieder. Dann schaute er Becca an und merkte, dass sie seinen Blick erwiderte. Sie starrten einander an, bis sie beide blinzelten und die Augen voneinander abwandten.
Aus dem Augenwinkel sah Becca, dass Meg auf sie zugeeilt kam.
Sie war froh über diese Unterbrechung. Das Mädchen blieb vor Becca stehen. Sie warf rasch einen Blick auf den jungen Fitzroy und betrachtete dann Sir Blaidd. "Der Weinhändler ist eingetroffen, Mylady", verkündete Meg.
"Oh. Wenn Ihr mich entschuldigen würdet. Sir Blaidd, Dobbin." Becca wandte sich auch an die übrigen Männer. "Entschuldigt mich bitte auch. Ich muss jetzt Wein bestellen. Wenn ich dieser Verpflichtung nicht nachkommen müsste, würde ich hier bleiben und versuchen, erneut ins Schwarze zu treffen …"
"Nein, nein, Mylady", riefen mehrere Krieger, einige lauthals, einige mit gedämpfter Stimme. "Ihr habt ehrenvoll gewonnen."
"Und niemand lockt so guten Wein aus dem Alten heraus wie Ihr!" brüllte jemand aus der hinteren Reihe.
"Eure Krieger trinken Wein? Kein Ale?" fragte Sir Blaidd ein wenig überrascht.
"Beides. Mein Vater sagt, dass Männer mit vollen Bäuchen und gutem Trunk eher dazu neigen, dankbar und loyal zu sein. Behandele sie gut, und sie werden dich und dein Land schützen, als gehörtest du zu ihrer Familie. Sie
Weitere Kostenlose Bücher