Verzehrende Sehnsucht
sicheren Tod bewahrt hatte. "Ich hoffe, Ihr befindet Euch auf dem Weg der Besserung, Mylady."
"Ja", hauchte sie. Becca war über sein steifes Auftreten und die kühle Art und Weise entsetzt, mit der er sprach.
"Es tut mir sehr Leid, Euch weitere schlechte Nachrichten überbringen zu müssen."
Becca richtete sich leicht auf, ungeachtet der Schmerzen, die das verursachte. "Was für schlechte Nachrichten?"
Blaidd wirkte jetzt nicht mehr ganz so distanziert. "Ich bedaure, Euch dies mitteilen zu müssen, Mylady, aber Eure Schwester …"
Er zögerte. Dann fasste er sich wieder und fuhr fort: "Es scheint, Mylady, dass Eure Schwester fortgelaufen ist."
"Fortgelaufen?" rief Becca ungläubig.
"Es hat den Anschein." Blaidd machte ein grimmiges Gesicht. "Gestern Abend sagte sie, dass sie die Nacht über bei der Leiche Ihres Vaters in der Kapelle wachen wolle. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, wenn eine der Mägde ihr Gesellschaft leistete. Offenbar ist die Magd eingeschlafen. Und als sie wieder aufwachte, war Eure Schwester nicht mehr da. Das Mädchen kam darauf zu mir. Ich ordnete sofort an, die Burg durchsuchen zu lassen. Daraufhin wurde dies in Eurer Bettkammer gefunden, die sich in einiger Unordnung befand."
Blaidd trat vor und hielt ihr ein Pergament hin. "Kann sie schreiben?"
"Ja, wenn auch nicht sehr gut", erwiderte Becca. "Ich wollte es unbedingt lernen, schon wegen der Rechnungen für den Haushalt. Aber Laelia hielt das nicht für nötig. Mein Va… Lord Throckton hat darauf bestanden."
"Die Buchstaben wirken, als seien sie mit sehr zittriger Hand geschrieben worden."
"Das ist bei ihr immer so."
Becca las die unsauber hingekritzelten Worte. Es war ein Abschiedsbrief, an sie – Becca – gerichtet, der besagte, dass Laelia mit Valdemar fortging. Und dass Becca all ihre Kleider und Juwelen haben sollte.
Sie las den Brief dreimal durch, bevor sie vollkommen verstand, was Laelia getan hatte und warum.
Dann hob sie den Blick, um Blaidd anzuschauen, bevor sie sich Dobbin zuwandte, der sie besorgt musterte. "Sie ist mit Valdemar durchgebrannt."
"Sie wollte immer an den Hof, aber ich dachte, sie meinte den englischen", murmelte Dobbin, ohne seine Verachtung zu verbergen.
"Dennoch bin ich nicht ganz davon überzeugt, dass sie freiwillig gegangen ist", verkündete Blaidd ohne Umschweife.
Becca wandte sich erneut an Dobbin. "Deine Männer hätten dich aufgesucht, wenn etwas an den Mauern oder Toren nicht in Ordnung gewesen wäre, während du mich gepflegt hast, oder?"
"Ja, Mylady. Niemand kommt an meinen Wächtern ungesehen vorbei."
"Deine Wachen haben mich aber nicht dabei beobachtet, wie ich über die Mauer geklettert bin", gab Blaidd zu bedenken.
"Oh, haben sie das nicht getan? Meint Ihr?" entgegnete Dobbin und hob eine Braue.
Blaidd verzog keine Miene. "Das könnte immer noch eine List sein. Oder eine Art Rache Valdemars."
"Wenn Laelia sich tatsächlich ungesehen aus dem Staub machen wollte, dann gibt es in der Tat eine Möglichkeit", sagte Becca. "Sie ist nur der Familie bekannt. Aber ich bin mir sicher, dass ich Euch einweihen kann, Sir Blaidd."
Sie hoffte, dass er erkannte, dass sie jetzt bereit war, ihm zu vertrauen. "Es gibt einen Geheimgang, der aus der Burg herausführt. Er ist für den Fall einer Belagerung angelegt worden. Der Eingang befindet sich in der Kapelle."
"Vielleicht haben die Dänen den Geheimgang gefunden", meinte Blaidd. "Vielleicht hat Throckton ihnen davon erzählt. Sie hätten auf diese Weise hineingelangen und Laelia aus der Burg geschafft haben können."
Dobbin schnaubte. "Habt Ihr nicht bemerkt, wie Laelia den Mann angesehen hat? Nach all dem, was geschehen ist, hatte sie wahrscheinlich Angst, dass Ihr vorhabt, sie festzunehmen. Kein Wunder, dass sie mit Valdemar fortgelaufen ist. Ich würde meine Zeit nicht damit verschwenden, hinter ihr herzujagen."
"Du würdest das nicht. Das kann ich verstehen. Aber ich muss es tun", entgegnete Blaidd. "Ich habe den Dänen Gelegenheit gegeben zu fliehen. Wenn auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie Laelia entführt haben, muss ich das Mädchen zurückholen." Endlich blickte er Becca an. Dieses Mal funkelte in seinen Augen etwas auf, was beinahe Ehrerbietung gleichkam. "Ihr wollt bestimmt sichergehen, dass es die freie Entscheidung Eurer Schwester war, nicht wahr, Mylady?"
"Ja, natürlich. Ich möchte vollkommen sicher sein, dass Laelia freiwillig mit Valdemar gegangen ist", erwiderte sie, angenehm berührt,
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