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Verzeih mir, mein Herz!

Verzeih mir, mein Herz!

Titel: Verzeih mir, mein Herz! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Collins
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Unterkleides bedauerte. Der weich fließende Taft offenbarte mehr, als dass er verhüllte. Der Stoff war an den Seiten so weit geschlitzt, dass jeder Schritt ihre Schenkel entblößte. Solange sie sich nicht bewegte, war das zum Glück nicht zu befürchten und das war ihr einziger Trost! Wie von ihr erwartet, hatte sie vor dem Prinzregenten geknickst, dem bei ihrem Anblick beinahe die Augen aus dem Gesicht gequollen wären. Seitdem bemühte sie sich, so unauffällig wie unter den Umständen möglich zu bleiben, was ihr jedoch nur leidlich gelang. Immer wieder wurde sie von Gentlemen zum Tanz aufgefordert, was sie jedes Mal entschieden ablehnte und sich stattdessen verzweifelt an ihrem Champagnerglas festhielt. Susan genoss den Abend in vollen Zügen und die Countess hatte die Nichte schon bald nach ihrer Ankunft im Stich gelassen, und so verbarg sie sich, so gut sie konnte, in abgeschiedenen Ecken. Susan machte es ihr allerdings alles andere als leicht. Immer wieder versuchte sie Elizabeth dazu zu überreden, mit einem der Herren zu tanzen, schleppte sie durch die Gesellschaftsräume und drängte sie dazu, sich etwas zu amüsieren.
    „Sieh mal, dahinten ist Daniel, du weißt schon, mein Cousin. Er sieht gut aus, findest du nicht? Komm, lass uns mal rüber gehen!”
    Elizabeth warf keinen Blick auf den von ihrer flötenden Cousine ausgesuchten Mann, sondern schüttelte entschieden den Kopf, wobei sie sich nach einem Lakaien umsah, damit dieser ihr leeres Glas gegen ein volles austauschte. „Geh du mal allein zu ihm, er wird meine Abwesenheit sicher verkraften!”
    Müde sah sie dem lachend verschwindenden Mädchen nach und suchte nach einer Rückzugsmöglichkeit, um sich dort vor den Avancen der jungen Männer zu verstecken. Sorgsam darauf bedacht unentdeckt zu bleiben, schlüpfte sie aus dem Saal und durchquerte das angrenzende Gesellschaftszimmer, in dem einige ältere Damen in Grüppchen zusammenstanden und an ihrem Sherry nippten. Da sie keine der Damen kannte, verließ sie den Raum, mit dem Entschluss, sich einen Augenblick im Damenzimmer zu gönnen. Charlton House bestach durch seine weitläufigen Räumlichkeiten, die mit Kuriositäten und künstlerischen Scheußlichkeiten vollgestellt waren. Und es gab Räume, die obskur, aber ohne wirklichen Nutzen waren. Einer dieser weniger frequentierten Orte war die Säulenhalle, die gerade restauriert wurde und die deswegen im heimeligen Halbdunkel lag. Da es Elizabeths erster Aufenthalt in der königlichen Residenz war, hatte sie sich auf der Suche nach dem Ruheraum hoffnungslos verlaufen. Soweit man sich in einem Palais, angefüllt mit Hunderten von Gästen und einer fast ebenso großen Zahl Angestellter, hoffnungslos verlaufen konnte. Seufzend lehnte sie sich gegen den kühlen Marmor der Säulen und schloss die Augen. Dieser Ort war zum Alleinsein ebenso gut geeignet wie der Ruheraum der Damen, und der leise Klang der Musik, der aus dem Ballsaal herüberwehte, beruhigte sie in der Annahme, zwar allein, aber nicht einsam zu sein. Es lagen ja nur zwei, drei Räumlichkeiten zwischen dem Saal und der Halle, und damit befand sie sich bloß in einem anderen Flügel des weitläufigen Palastes, der wegen der Ausbesserungsarbeiten gesperrt war.
    Ihre Gedanken flogen dahin, fortgerissen von den einlullenden Tönen der erstklassig wiedergegebenen Rhapsodie. Nichts hielt sie in der Düsternis der Gegenwart, die Elizabeth nichts weiter bereithielt als das Wissen und den Schmerz der Einsamkeit und des Verlustes.
    Wie furchtbar lange schien es her, dass sie glücklich gewesen war. Mit rosigen Aussichten im Hort ihrer eigenen, sie liebenden Familie und nicht der Missgunst oder der Gleichgültigkeit Verwandter preisgegeben.
    Vor so wenigen Jahren war ihre Welt noch in Ordnung gewesen. Sie war gehalten und getröstet worden, wenn sie traurig war, man hatte sich mit ihr gefreut und mit ihr gelacht und die Tage waren angefüllt gewesen mit der ruhigen Harmonie einer sich sehr zugetanen Familie. Wie vermisste sie die kleinen Zänkereien ihres Bruders Ernest!
    Was war schon ein kleiner Streit um das letzte Ei, um das saftigste Stück Fleisch oder wer den Ponywagen zuerst lenken durfte? Was waren schon die kleinen Raufereien und das Gezupfe an ihren Zöpfen gegen die Gram, ihn unter der kalten Erde liegen zu wissen?
    Es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht an die schweren Schicksalsschläge dachte, die wie ein Sturm über sie hereingebrochen waren. Zuerst war ihr geliebter Bruder

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