Verzeih mir, mein Herz!
gestorben, kurz darauf ihre Mutter, die seinen Tod nicht verkraftet hatte. Und kein Jahr später musste sie sich auch von ihrem verehrten Vater verabschieden, der ohne seine geliebte Frau einfach dahin gesiecht war.
Sie war allein zurückgeblieben und unterstand bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag der Vormundschaft Robert Carmichaels, dem Bruder ihrer Mutter. Er war kein schlechter Mann, er war warmherzig und etwas trottelig und zog es gemeinhin vor, in einiger Entfernung von seiner Gattin zu leben, weshalb er ihr in jeder Saison großzügig das Stadthaus zur Verfügung stellte und selbst auf dem Land verweilte.
Er hatte sie herzlich aufgenommen, ebenso, wie seine beiden anderen Nichten, die genau wie Elizabeth Vollwaisen waren. Elizabeth machte sich nicht die Mühe, ihre Gedanken zur Ordnung zu rufen, was machte es schon aus, dass ihre Augen sich beim Weinen unschön röteten?
Was würde sie darum geben, einmal noch von ihrem Vater gehalten zu werden? Als ihr Wunsch erfüllt wurde, zögerte sie nicht und warf sich fast an seine Brust. Natürlich wusste sie in irgendeinem fernen Winkel ihres Verstandes, dass ihr Vater tot war und es daher unmöglich war, dass er sie in die Arme schloss. Dennoch barg sie ihr Gesicht an der Schulter ihres Trösters und klammerte sich an den weichen Brokat seines Justacorps. Folgsam hob sie ihr Gesicht an, als er sie darum bat, und unternahm nichts, als sich seine weichen Lippen auf ihre senkten. Sie war nie zuvor geküsst worden und wunderte sich im Stillen über die Süße einer solchen Liebkosung. Die feine Spitze ihres Schleiers bildete eine unzureichende Barriere zwischen ihnen, und als er sie zur Seite schob, um ihren Mund zu erkunden, protestierte sie nicht. Abgelenkt von ihrem Kummer folgte sie nur zu gern seinem sanften Werben und überließ ihm widerstandslos ihre Lippen. Auch sein Körper, der sich gegen sie presste und sie dadurch mithilfe der kühlen Säule in ihrem Rücken gefangen hielt, weckte nicht ihren Protest. Erst seine suchenden Hände, die bestimmend über ihren Körper wanderten und sie besitzergreifend umspielten, ließen sie zur Vernunft kommen. Auch wenn sie heute als Aphrodite auftrat, hatte sie keineswegs vor, deren Profession nachzugehen und der Liebe zu frönen! Sie drehte den Kopf zur Seite, um seinen Küssen auszuweichen und versuchte, ihn von sich zu schieben. Erleichtert lächelte sie zu ihm auf, als er prompt von ihr abrückte, und hätte beinahe aufgelacht, als sie im fahlen Mondlicht, das durch die breite Fensterfront ihren Standort illuminierte, ihren Galan als Freibeuter identifizierte. Der breite dreieckige Hut mit der winkenden Feder war ihm in den Nacken gerutscht und sein dunkles Haar kräuselte sich in natürlichen Wellen um seine Stirn. Seine breite Maske war aus rabenschwarzem Satin und schimmerte verführerisch. Elizabeth fehlte der Atem, um etwas zu sagen, und so biss sie sich auf die prickelnden Lippen, sich wohl bewusst, dass seine Hand immer noch die ihre hielt und er immer noch unziemlich nahe bei ihr stand. Er war etwas größer als sie, obwohl das auch an den Absätzen seiner Schuhe liegen konnte, wie sie sich amüsiert ins Gedächtnis rief. Absätze waren neben dem aussagekräftigen Hut und einer Augenklappe die deutlichsten Hinweise darauf, dass man von einem Piraten aus dem 17. Jahrhundert gekapert wurde. Schade, dass er statt der Augenklappe eine Maske trug, die einen großen Teil seines Gesichts verdeckte. Er erwiderte strahlend ihr Grinsen und zog ihre abschweifende Aufmerksamkeit zurück auf seine Ehrfurcht gebietende Gestalt. Seine breiten Schultern versperrten ihr die Sicht und warfen einen Schatten auf sie, als er sich zwischen sie und das Mondlicht stellte. Sacht zog er sie mit sich, ohne ihr leises Widerstreben zur Kenntnis zu nehmen, und schob sie nach einigen Schritten tiefer in die Dunkelheit der großen Halle. Eine Marmorsäule stand ihr im Weg, als sie sich bestimmend von ihm lösen wollte, denn mit einem ihr unbekannten Mann in einem dunklen Raum entdeckt zu werden, war nicht das, was von ihr erwartet wurde!
Sie würde eines Tages die Duchess of Marlborough sein und hatte in der verstorbenen Lady Margarete ein makelloses Vorbild, dem sie gerecht werden wollte. Lady Margarete hätte sich garantiert nicht von diesem Piraten küssen lassen und würde sich auch nicht in eine noch kompromittierende Situation bringen, wie sie selbst es gerade tat.
Der Pirat lachte leise, als sie ihre Hand aus seiner zog,
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