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Verzeihen ist immer moeglich

Verzeihen ist immer moeglich

Titel: Verzeihen ist immer moeglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Jakoby
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sind. Nur dann können wir eine offenere Haltung der Menschen gegenüber den Sterbenden erreichen.
    Wer von der Existenz der Sterbebettvisionen weiß, kann die auftretenden Phänomene besser einordnen und wird weniger Angst haben. In Wirklichkeit sind diese Phänomene dem Sterbenden dabei behilflich, den nahenden Tod zu akzeptieren. Die Existenz und das beständige Auftreten der Visionen hat nichts mit Kultur- oder Religionsunterschieden zu tun, sondern stellt die Tatsache dar, dass die Öffnung zum Transzendenten, die Überschreitung der Grenzen unseres Alltagsbewusstseins ein Hinweis darauf sind, was jeden jenseits der irdischen Persönlichkeit erwartet.
    Das Hauptaugenmerk der Hospiz- oder Palliativarbeit liegt im pflegerischen und medizinischen Bereich, weniger in der spirituellen Seite des Sterbens. Es ist im Alltag leider immer noch so, dass Pflegende und Ärzte dazu neigen, seelische Phänomene abzutun durch Ignoranz, mangelnde Aufmerksamkeit oder Ruhigstellen des Patienten. Noch schneller erfolgt eine Beurteilung: Der Patient sei durcheinander, halluziniere, sei völlig verwirrt, oder man ordnet das Verhalten des Sterbenden den Auswirkungen der Medikamente zu.
    Sterben ist kein medizinisches Geschehen, sondern der Weg des Menschen in eine ihm sonst unzugängliche Dimension. Viele, die in der Begleitung eines Angehörigen Derartiges erlebt haben, trauen sich nicht, mit anderen darüber zu sprechen. Anderen fällt es sehr schwer, ihre Erlebnisse, die sie wie ein kostbares Geschenk in sich tragen, mitzuteilen. Einerseits lässt sich das eigene Erleben schwer in Worte fassen, erst recht, was dessen Intensität betrifft. Auf der anderen Seite steht die Angst, nicht ernst genommen zu werden oder sich dem Vorwurf auszusetzen, sich das alles eingebildet zu haben. Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass derartige Dinge, für die es keine messbaren wissenschaftlichen Erklärungen gibt, zerredet werden. Diese Vorbehalte stehen im Kontext mit den Erfahrungen der Todeserlebnisse und den Nachtodkontakten.
    »Eine Frau, die ihren Mann mit achtundzwanzig Jahren durch einen Autounfall verloren hatte, erzählte mir, dass er nach seinem Tod zum wiederholten Male bei ihr gewesen sei. Sie erlebte seine Gegenwart im Wachzustand und empfand das Nachtoderleben als beglückend und tröstend. Und doch fragte sie mich nach dem Seminar unter Tränen, ob ich glaube, dass sie verrückt geworden sei, und ob so etwas überhaupt möglich sei? Ich bestätigte ihr, dass diese Phänomene sehr weit verbreitet seien. Daraufhin erzählte sie von der Ablehnung ihrer Familie und ihres Freundeskreises und dass das der Grund sei, dass sie normalerweise ihr Erleben für sich behalte.«
    Es ist an der Zeit, offen, authentisch und ehrlich über unsere diesbezüglichen Erlebnisse zu sprechen. In vielen stationären Einrichtungen, ob in Krankenhäusern oder Heimen jeder Art, werden Sterbebettvisionen noch immer zu wenig oder gar nicht beachtet. Sicherlich weisen nicht alle Sterbenden derartige Phänomene auf, doch können wir einen innerseelischen Prozess bei einem anderen auch gar nicht erkennen. Jeder stirbt seinen eigenen Tod, manche schweigsam und stumm, andere voll Gegenwehr oder freudig bewusst durch eine Vision. Dazu ein sehr eindrückliches Erlebnis einer Sterbebegleiterin:
    »Wir umarmten uns und gemeinsam mit der Schwester versprachen wir ihr, an ihrer Seite zu bleiben. Nach einer halben Stunde öffnete sie weit die Augen und rief: ›Mutter, ich komme, das Tor ist offen, die Wiese ganz grün, ich komme.‹ Sie öffnete dabei ganz weit die Augen und hob die Arme in die Luft. Noch einmal sagte sie: ›Mutter, ich komme jetzt.‹ Daraufhin glitt sie ins Koma und verstarb drei Stunden später. Dies war für mich sehr eindrücklich, deshalb habe ich diese Offenbarung am Sterbebett bald danach niedergeschrieben.« 13
    Eine Sterbebettvision beinhaltet mitunter eine außerkörperliche Erfahrung. Im nächsten Beispiel holt ein Arzt einen verunfallten Mann ins Bewusstsein zurück und erlebt Folgendes:
    »Er behauptete, dass er während der körperlichen Bewusstlosigkeit seine Umwelt gut beobachten konnte und gesehen habe, wie die Ärzte zu ihm gehastet waren, und wie einer von ihnen dabei fast selbst von der Hafenmauer gestürzt sei – was offenbar stimmte. Er berichtete weiterhin, dass er in diesem Zustand auch seine verstorbene Großmutter gesehen habe. Noch während er diese Erlebnisse beschrieb, sagte er, dass er seine Großmutter nun erneut sehe und

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