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Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Verzeihung, sind Sie mein Koerper

Titel: Verzeihung, sind Sie mein Koerper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christl Lieben
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ja auch in der rein körperlich orientierten Medizin nicht unumstritten. Heilt der Arzt oder das Medikament? Oder heilt sich die Patientin selbst? Kann nicht das Verstehen, in welchem Zusammenhang die Krankheit einen Sinn ergibt, oder eine Bewusstseinsveränderung manchmal auch als Heilung verstanden werden? Und wie würden unsere Leserinnen und Leser das sehen?
    Demut vor dem Schicksal der Klienten
    Daraus ergibt sich eine Haltung, die ich nur mit dem etwas aus der Mode gekommenen Wort »Demut« beschreiben kann. Ich habe in unserer moderneren Sprache kein besser passendes
Wort gefunden. Mit »Demut« meine ich den Respekt vor allem Leben und die Gleichwertigkeit gesunden wie kranken, behinderten wie nicht behinderten, alten wie jungen Lebens. Ich möchte damit keineswegs einer biologistischen Einstellung das Wort reden. Nein, ganz im Gegenteil! Ich meine eine eindeutige, demokratische, den Menschenrechten entsprechende Einstellung zur Gleichwertigkeit aller Menschen.
    Unwissenheit und Unvoreingenommenheit
    Es gibt kein allgemeingültiges Gesetz, keine Regeln, die immer für jeden und in jeder Situation passen. Wir müssen uns jedem Menschen so nähern, als wären wir völlig »unwissend«, als würden wir zum ersten Mal eine solche Situation antreffen. Und tatsächlich finden wir bei allen Wiederholungen eine immer neue Situation vor, die Zusammenhänge sind jedes Mal anders. Es scheint, dass die Milliarden und Abermilliarden Synapsen, die unser Gehirn bilden kann, immer wieder andere und ungewohnte Blickwinkel eröffnen und unsere dann neu erwachte Neugierde, Behutsamkeit und Aufmerksamkeit herausfordern. So wird unser Beruf nie langweilig oder zur Routine.
    Unsere innere Haltung unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Arbeit mit jeder anderen Art von Aufstellungen, und ich, Christl Lieben, kann sie nur so beschreiben, wie sie im Lauf meiner Praxisjahre geworden ist. Wenn ich an einem System arbeite, dann begleite ich es und werde gleichzeitig von dem System begleitet.
    Eine Klientin kommt zu mir und erzählt mir einen Ausschnitt aus ihrem Leben. Wir führen ein Gespräch und schließlich einigen wir uns auf die Fragestellung und die Positionen, die zu dieser Frage gehören. Ich führe das Vorgespräch unter vier Augen. Zurück in der Gruppe, sagt meine Klientin den anderen
mit knappen Worten, um was es geht, und ich benenne die Positionen, auf die wir uns geeinigt haben.
    Die Repräsentanten für diese Positionen werden gewählt und an ihre Plätze geführt. Damit steht ein inneres Bild der Klientin aufgefächert im Raum, ein feines Seelengespinst. Der Raum zwischen den einzelnen Positionen ist fragil, ein potenzielles Wissen liegt dort, das im Zuge der Aufstellung immer mehr Gestalt annehmen wird. Daher betrete ich diesen Raum zunächst nicht, später nur sehr behutsam. Ich wähle für mich einen Ort, von dem aus ich alles überblicken kann, setze mich nieder und bitte die Klientin an meine Seite. Ich möchte sie neben mir haben, wenn die erste Runde beginnt. Ich denke, das gibt ihr Schutz in einer nicht einfachen Situation, und ich bin bei Bedarf bei ihr, wenn die Texte ihrer Repräsentanten sie beispielsweise stark berühren, überraschen oder ihr fremd sind. Ich stehe in ihrem Dienst und im Dienst ihres inneren Wissens, das sich zunehmend Raum nimmt. Nach einem kurzen Informationsaustausch mit meiner Klientin darüber, wie die ersten Texte bei ihr angekommen sind, stehe ich auf und beginne am System zu arbeiten. Dabei bleibe ich einerseits mit meiner Klientin verbunden, andererseits bin ich mit dem System in Kontakt, sonst kann ich mich von ihm nicht führen lassen. Abgesehen davon muss ich auch Kontakt zu dem neutralen Raum außerhalb des Systems halten, damit ich nicht im System verloren gehe. Ich stehe daher mit einem Fuß im Feld und mit dem anderen bleibe ich draußen. Das ist metaphorisch zu verstehen. Ich erreiche diese Wirkung, indem ich mich durch den Raum bewege und immer nur kurz an einem Ort verweile. Während ich das tue, bin ich innerlich leer und weit, ja nicht einmal sehr neugierig. Durch den Feldkontakt und aufgrund meiner langjährigen Erfahrung entstehen in mir schemenhafte Bilder, welche Richtung der Aufstellungsprozess nehmen könnte. Das ist nicht zu vermeiden. Aber ich
halte diese Bilder nicht fest, sie ziehen vorüber wie die Laufschrift an der Kasse eines Supermarktes. Ich

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